Wenn Pferde sprechen könnten, würden sie schweigen
Eine Fantasy-Geschichte von Nachtasou.
»Nun«, wiederholt Nachtasou nachdenklich, »tatsächlich ist das Meiste, was erzählt wird, häufig nur eine Geschichte. Manchmal ist das auch besser so.« Bedeutungsvoll schaut er zu Robert. »Es gibt aber auch Geschichten, die erfinde ich und weiß im selben Moment, dass sie sich wirklich ereignet haben.«
Sizilia runzelt die Stirn. »Du erfindest sie und ...?«
»Wie ich es sagte.« Nachtasou erhebt sich von der Kiste und schiebt die Hände in die Taschen. »Ich erzähle euch so eine Geschichte, wenn mir dafür jemand einen frischen Tee aufbrüht.«
Devana erhebt sich. »Wird erledigt.«
Nachtasou nickt dankend. »Die Geschichte handelt von einer Reiterhorde der Skythen. Ich weiß nicht viel über Skythen, außer dass dieses Reitervolk wunderschönen Goldschmuck gefertigt hat. Gold ist unvergänglich, und wieder aufpoliert, könnte es gestern geschehen sein. Ich nenne die Geschichte ...«
Wenn Pferde sprechen könnten, würden sie schweigen
Vielleicht hat es sich am Schwarzen Meer zugetragen. Namen fallen mir nicht mehr ein, außer den der siebenjährigen Tochter. Kinder lernen in solchen Kulturen das Laufen zeitgleich mit dem Reiten, hörte ich. Ich höre gerade eine Horde in der Abenddämmerung über den Strand galoppieren. Wilde Kerle mit schwarzen Haaren zu einem Zopf geflochten, mit blanken Oberkörpern. Das Hufgetrappel hört sich auf dem schmalen Streifen nassen Sandes gedämpft an, und sie hinterlassen ihn aufgewühlt. Sie reiten dicht an dicht. Das Töchterchen des Anführers der Horde heißt, da bin ich mir ganz sicher, Tonja. So würden wir es transkribieren, ausgesprochen mochte es sich in etwa so anhören. Für Töchter gibt es keinen Platz in dieser Stammesordnung. Nicht, wenn es um Gefahren geht, nicht, wenn es um Mut geht. Aber sie reiten genauso gut. Tonja hat Angst vor dem Wasser. Schwimmen können die meisten ohnehin nicht. Wasser ist eine Grenze, mehr nicht, und es bleibt anderen Völkern überlassen, Schiffe zu bauen. In dieser Geschichte sind die Pferde die Gesprächigsten untereinander. Sie sind verwachsen mit ihren Reitern. Sie lieben es, über den nassen Sand zu galoppieren, weil sie dann ihren Kopf gegen den Himmel richten und ihren Beinen blindlings freien Lauf lassen können. Die Mähnen wehen und die Zöpfe der Männer schlagen rhythmisch gegen gefettete Rücken.
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