Autorin der Woche vom 27.03.2023 bis zum 02.04.2023
Wenn schon die Geschichten, Gedichte und anderen Texte der Autorinnen und Autoren der Schattenzeilen interessant sind, um wie viel mehr müssen dann die Menschen faszinieren, die ihre Fantasien, Träume und Erlebnisse - ihr BDSM - so lebendig zu Papier bringen?

rote linie
Wir stellen dir in dieser Woche rote linie vor. Mit rote linie haben wir ein Interview geführt. Im Anschluss findest du alle Veröffentlichungen von rote linie auf den Schattenzeilen.
Jona Mondlicht führte dieses Interview am 25.09.2004 mit rote linie.
Wie kamst Du zu Deinem Nicknamen "rote linie"?
Du bist ein eher kreativer Mensch?
Ich schreibe Geschichten, zeichne und mache schon ewig Musik. Dahinter steckt mein sehr großes Bedürfnis, mich auszudrücken, was sich auch in anderen Bereichen wie meinen Tätowierungen zeigt.
Welche Tätowierungen trägst Du und was bedeuten sie für Dich? Findest Du, dass die Menschen individueller werden sollten?
Ich trage sehr viele Tätowierungen und jede steht für einen Lebensabschnitt, ein Ziel oder etwas im Leben, das mir sehr wichtig ist. Die Symbole sind sehr persönlich, so wie der Schmetterling für mich für Ekstase steht. In der Individualität sehe ich Vor- und Nachteile. Wir leben in einer Zeit, in der Menschen sehr auf ihre Individualität bedacht sind. Vielleicht weiß so mancher aber gar nicht damit umzugehen und erlebt die negativen Aspekte wie Vereinsamung. Wenn Individualität dahin führt, dass Menschen ihre ureigenste Bestimmung finden und leben können, ist sie wunderbar.
Ich denke, dass in der heutigen Zeit mit angeblichem Individualismus Kommerz betrieben wird. Es werden von der Industrie so genannte Mainstreams vorgegeben und viele Menschen betrachten es als ihre eigene Individualität, sich so zu kleiden oder zu verhalten wie ein vorgegebener Mainstream. Wäre die Welt individueller ohne solche kommerziellen Vorgaben?
Heutzutage wird mit allem Kommerz betrieben. Falls ich da etwas übersehen habe, möge man mir davon berichten. Sich in solchen vorgegebenen Rahmen zu bewegen birgt Sicherheit und Aufgehobensein. Das ist manchem mehr wert als Individualität. Der Schlüssel ist doch, dass man das Bewusstsein hat zu wählen, aus den vielen Möglichkeiten das Eigene zu schaffen oder eben einen Rahmen als das Eigene zu erkennen oder wie auch immer. Vielleicht sind diese Vorgaben ja für Einige auch inspirierend und nicht zu verteufeln. Es gibt immer mehrere Blickwinkel und keiner ist "wahrer" als der andere.
Der Schmetterling steht für Ekstase im Sinne dessen, dass man bei Hochgefühlen "Schmetterlinge sieht"? Trägst Du noch andere Gleichnisse auf Deiner Haut?
Der Schmetterling repräsentiert die Verwandlung, die man während der Ekstase erlebt. Sinnbildlich wird man größer, weiter, heller... wie immer man es bezeichnen will. Ich erlebe es als ein über mich Hinauswachsen. Es gibt da eine Beziehung zu der Bezeichnung "der kleine Tod" für den Orgasmus. Der Schmetterling ist auch Sinnbild für den Tod - das Herausschlüpfen aus der einstigen Begrenzung. Zumindest ist das für mich verwandt. Und so gibt es auch noch weitere Gleichnisse auf meiner Haut. Das leben ist voller Bedeutung, wenn wir hinschauen.
In welcher Stadt wohnst Du? Was gefällt Dir dort besonders?
Ich wohne in Bremen und genieße die Atmosphäre hier. Bremen ist eine alte Stadt mit wundervollen alten Gebäuden und daneben recht liberal. Einerseits gemütlich und überschaubar und andererseits hat man hier alles, wovon das Großstadtherz träumt.
Wovon träumt das Großstadtherz von
Auf das Stadtleben bezogen träume ich von Plattenläden, Konzerten und Partys, schönen Cafés und einem guten kulturellen Angebot.
Und wovon träumt das Großstadtherz von
Ich träume von Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft und davon, dass BDSMler Tiefe erleben, und nicht nur aus Modetrends oder innerer Leere SM leben.
Du sagtest, dass Du selbst Musik machst. Spielst Du ein Instrument?
Ich singe.
Klassisch? Modern? Eigene Texte oder Lieder?
Ich habe eine ganze Zeit lang eine klassische Gesangsausbildung genossen und mag diese Richtung auch gerne. Zurzeit singe ich eigene Lieder in einem Folk-Projekt.
Hast Du die Lieder selbst komponiert und getextet?
Die Texte entspringen natürlich meinem eigenen Bedürfnis mich auszudrücken. Der Song dazu entsteht in den meisten fällen in Zusammenarbeit mit meinen Bandkollegen.
Folk klingt für mich nach Gitarre, Mundharmonika und Geige, nach Bob Dylan, ganz viel Freiheit und auch Tiefe. Ist es die Parallele zu Deiner vorhin geäußerten Vorstellung von der Gesellschaft?
Ich kann bei mir keine parallelen zu Bob Dylan erkennen. Höchstens wenn ich ihm unterstelle, dass er Musik so persönlich empfindet wie ich. Ich mag einfach die irische und skandinavische Folkmusik gerne und meine Stimme passt dazu sehr gut, besser als zu wilder Rockmusik. Inhaltlich geht es um persönliche Dinge.
Darf man fragen, um welche?
Um Gefühle, Entwicklungsschritte und meine Weltsicht. In "Butterfly-Queen" geht es zum Beispiel um meine Freiheitsliebe in Bezug auf Partnerschaft oder in "Home" darum, den inneren Frieden zu finden.
Welche Konzerte und Partys würdest Du gerne besuchen?
Ich warte immer noch auf genügend Motivation, zu einer SM-Party zu gehen. Ansonsten liebe ich Rock.
Welches Stück Motivation fehlt Dir? Oder andersherum: Was hielt Dich bisher ab?
Das sind ganz banale Dinge wie Dresscode und die Höhe der Eintrittspreise, aber auch die Unsicherheit über den Verlauf des Abends.
Wie müsste Deiner Ansicht nach eine ideale BDSM-Party aussehen?
Die ideale Party habe ich mal in Düsseldorf erlebt. Es gab viele Areale - den Spielbereich mit vielen Extraräumen, in die man sich zurückziehen konnte, eine Bühne zum spielen, liebevolle und phantasiereiche Ausstattung, einen großen Bereich zum "flirten", kennen lernen und tanzen, einen Chillout-Bereich und einen Extraraum mit Buffet. Es war wunderbar, zwischen den Bereichen spazieren zu können. Die Musik war auch gut und abwechslungsreich. Und das Wichtigste waren natürlich die vielen aufgeschlossenen, flirtfreudigen und niveauvollen Leute.
Weißt Du noch, wie die Party hieß? Gibt es sie noch?
Es war eine von SMart Rhein-Ruhr organisierte Party, die, soweit ich weiß, unregelmäßig stattfinden. Damals war sie nicht öffentlich, sondern lediglich für Mitglieder und deren Freundeskreis.
Was sind Deiner Meinung nach Do's und Dont's auf solchen Partys?
Ich würde gerne jemandem im Hawaii-Hemd auf so einer Party sehen. Für mich sind sie oft zu "unlocker". Daher gibt es auch keine von mir aufgestellten Regeln, außer dem gesunden Menschenverstand, was die Sicherheit angeht, und ein bisschen Stil im menschlichen Umgang.
Also weg mit dem Dresscode?
Von mir aus sehr gerne.
Zum Thema Foto- und Filmverbot auf Partys...
Sofern jemand nicht einverstanden ist, sollte man ihn auch nicht filmen oder fotografieren. Ganz einfach.
Und was tun mit dem, der sich nicht dran hält?
Der hat auf solchen Partys meiner Meinung nach nichts zu suchen. Schließlich funktioniert SM nicht ohne Respekt, und der sollte nicht außerhalb des Spiels flöten gehen.
Findest Du es vorteilhaft, wenn BDSM zeitweilig ein Modetrend ist? Könnte man mit einem solchen Trend mehr Akzeptanz erreichen, weil sich die Menschen dann mit BDSM beschäftigen?
Sicherlich muss BDSM in die Öffentlichkeit, um akzeptiert zu werden. Man kommt an dem Trend nicht vorbei. Und es ist auch nicht schlimm. Es ist nur schade, wenn man dabei oberflächlich bleibt.
Wann hast Du Deine Neigung zu BDSM entdeckt? Lebst Du sie aus?
Ich hatte seit der Entdeckung meiner Sexualität passive Phantasien. Recht schnell entdeckte ich, dass es diesbezüglich sogar eine Kultur gab. Nach und nach machte ich zaghafte Erfahrungen in dem Bereich. Schließlich hatte ich das Glück, über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren SM sehr intensiv und auf sehr verschiedene Arten kennen zu lernen. Seitdem ist es aus meinem Leben nicht mehr weg zu denken.
Welches war Deine erste zaghafte Erfahrung?
Ich sprach zufällig mit einem Bekannten über unsere gemeinsame Neugier auf SM und so verabredeten wir uns zu einem wundervollen, sinnlichen Abend.
Was fasziniert Dich an BDSM besonders?
Mich fasziniert an allem im Leben die Tiefe. BDSM ermöglicht mir, tief in mein Innerstes schauen zu können. Die Möglichkeit, mich so intensiv fallen zu lassen, erlebe ich als sehr spirituell.
Schöpfst Du aus spirituellen Momenten Kraft? Lebst Du weitere spirituelle Weisen?
Der Kontakt zu meiner Intuition, meinem höheren Selbst oder wie immer man es nennen will, ist sehr wichtig für mich. Und natürlich spielt das nicht nur in meiner Sexualität eine Rolle, sondern in allen Lebensfeldern. Ich laufe jedoch nicht jeder "esoterischen" Methode hinterher, mir geht es eher darum, die Basis für das alles zu ergründen.
Meinst Du, die Menschheit hat in der heutigen Zeit einen Großteil ihrer spirituellen Gabe verloren oder lässt sie verkümmern?
Das kann ich nicht beurteilen. Die Naturverbundenheit war in anderen Zeiten sicherlich größer. Ich denke, Spiritualität hat es immer gegeben und es gibt sie auch heute. In welchem Maß oder auf welche Art - da hat alles seine Zeit.
Könntest Du Dir vorstellen, dass es künftig eine Zeit geben wird, in der sich die Menschen wieder mehr auf Spiritualität und die Natur besinnen?
Da bin ich mir ganz sicher. Die Tendenz ist ja bei einem Großteil schon da, und "was funktioniert, gewinnt" - um es mal so auszudrücken.
Gibt es in Deinen Geschichten auch spirituelle Bezüge?
Die kann man sicherlich darin entdecken, wenn man einen Sinn dafür hat.
Wie entstehen Deine Geschichten? Schreibst Du eher spontan oder planst Du jeden Geschichtenverlauf im Voraus?
Meine Geschichten sind entweder durch reale Erlebnisse oder durch kurze Szenarien in meinem Kopf inspiriert. Während des Schreibens entwickeln sich oft viele Einzelheiten, oder ich lasse mich treiben und lande bei unerwarteten Enden. Außerdem liebe ich es, kleine Vorgaben von Freunden zu verwirklichen.
Kommen die kleine Vorgaben von Freunden aus einen BDSM-Bekanntenkreis? Wie weit geht Dein Outing?
Bisher kommen die Vorgaben noch aus meinem bunten Freundeskreis, zu einem großen Teil selbst BDSMler, aber nicht nur. Ich bin meinen Freunden gegenüber komplett geoutet, was mir sehr wichtig ist. SM ist ein so großer Teil von mir, so dass man mich nicht ganz kennt, wenn man von diesem Teil nichts weiß.
Welche Reaktionen kamen auf Dein Outing in jenem Teil Deines Freundeskreises, der nicht BDSM lebt?
Ich kann mich an keine negativen Reaktionen erinnern. Sicherlich gab es Unsicherheiten, die sich in kleinen Scherzen ausdrückten, aber nie abwertend. Ansonsten erfuhr ich viel Akzeptanz und Neugier.
Gab es Meinungen von Lesern zu Deinen auf den Schattenzeilen veröffentlichten Geschichten?
Ich bin sehr erfreut darüber, dass den Lesern meine Geschichte zu gefallen scheint. Zumindest schließe ich das aus den Bewertungen. Ich freue mich auch über persönliches Feedback!
Wenn Du an den Schattenzeilen etwas ändern könntest, würdest Du...
Da fällt mir tatsächlich nichts ein. Sie gefallen mir gut, so wie sie sind.
Ein letztes Wort...
Vielen Dank für Euer Interesse! Und versäumt nicht, meine Homepage zu besuchen.
Die Urheberrechte dieses Interviews liegen bei $weeklyauthor_name. Eine weitere Veröffentlichung oder Verwendung darf nur nach persönlicher Zustimmung und unter Nennung der Veröffentlichung des Interviews auf den Schattenzeilen erfolgen.
Alle Veröffentlichungen von rote linie:
Autoreninterview
von rote linie
Jona Mondlicht interviewte rote linie am 25.09.2004.
Veröffentlicht am 25.09.2004 in der Rubrik Gefragt.
1937 Aufrufe, 5 Bewertungen.
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Nachtzug
von rote linie
Alleine im Abteil oder alleine im ganzen Zug? Sie weiß das nicht genau, aber sie hofft, dass er es weiß. Er, der Schaffner, den sie abenteuerlustig provoziert hat und der sich schließlich weniger um ihre Fahrkarte als um ihren heißhungrigen Körper kümmert.
Veröffentlicht am 20.08.2004 in der Rubrik BDSM.
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Die Schattenzeilen bedanken sich bei rote linie für 2 Veröffentlichungen !
Weitere Informationen und Autorenseite von rote linie.
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