Selbsthass
Eine BDSM-Geschichte von Sisa
Stille.
Laute, alles übertünchende Stille, die mich innerlich zerreißt. Sie schreit so laut, dass für nichts anderes mehr Platz ist. Die Art von Stille, die dich von innen her zerbricht, der Verzweiflung geschuldet, dem Wissen - du hast versagt ...
Du bist ein Nichts. Wertlos. Nutzlos. Überflüssig. Eine Abscheulichkeit, die keinerlei Daseinsberechtigung mehr hat.
Der Wind braust mir in dröhnenden Intervallen um die Ohren, zerrt an meinen Haaren und doch, den wabernden Nebel in meinen Gedanken kann er einfach nicht vertreiben.
Es hat mich in die Dünen verschlagen, den Ort habe ich hinter mir gelassen - vorhin, als ich so unvermittelt die Flucht angetreten habe. Die Promenade entlang, den Hundestrand links liegen gelassen, bin ich einfach immer weiter am Wasser entlanggelaufen, bis meine Beine mich irgendwann nicht mehr tragen wollten. Jetzt sitze ich hier, die Spitzen der Sneakers im weichen Sand vergraben, kaum geschützt von den Dünen, zwischen denen ich mich verkrochen habe. Ein Sturm zieht auf, doch im Vergleich zu dem Aufruhr in meinem Inneren ist er nur ein laues Lüftchen.
Als wolle sie mich in dieser Meinung bestärken, türmt sich die Ostsee zu schaumigen Wellenbergen auf, geht brandend gegen das Ufer an. Leckt am Sand, als wolle sie Stück für Stück vom Festland für sich erobern.
Die Vorboten des Sturms dringen durch meine Kleidung, jagen eine Gänsehaut nach der anderen über meinen Körper. Ich habe meine Kleider gedankenlos übergeworfen, vorhin, als ich einfach nicht mehr konnte. Das ausgewaschene Shirt, dessen fransiger Saum um meinen Torso flattert. Es ist mir viel zu groß, es gehört ihm. Die Jeans, ohne Unterwäsche. Nackt unter dem Denim - wie auch die Füße in den Turnschuhen.
Ich vergrabe sie noch tiefer im Sand, ringe nach Atem.
Ich schmecke Salz auf meinen Lippen, nicht alles ist der Gischt geschuldet. Die Tränen, sie fließen immer noch. Ich kann einfach nicht mehr aufhören zu weinen, es ist, als hätte man einen unsichtbaren Schalter in meinem Inneren umgelegt. Fester umarme ich meinen Oberkörper, ich muss mich an mir selbst festhalten. Ich fühle mich so verloren. So zerstört. Irgendwie losgelöst von allem, was bisher meine Person ausgemacht hat.
Ein Schluchzen bricht sich aus meiner engen Brust. Für den Moment verlässt mich alle Kraft, eine erneute Böe drückt mir den Kopf in den Nacken, und weil es der Weg des geringsten Widerstandes ist, ich einfach keine Energie mehr habe, um gegen irgendetwas anzugehen, lasse ich ihn so, den Blick hoch in die über mich dahinstürmenden, grauen Sturmwolken gerichtet.
Ich schreie, ich kann es nicht verhindern. Der Sturm reißt mir jeden Laut von den Lippen, nur ich kann diese Verzweiflung hören. Die Verbitterung. All die Fassungslosigkeit. Ich schreie, bis meine Kehle schmerzt, meine Stimme bricht.
Kommt der Moment der Erkenntnis zu einem jeden von uns? Der gefürchtete Zeitpunkt, wo du erkennen musst, alles hat sich verändert? Nichts ist mehr, wie es dein ganzes Leben lang war?
Ich denke zurück, es geschieht nicht willentlich, es passiert einfach.
Meine zerrütteten Gedanken wandern in die Vergangenheit. Hin zu dem, was ich einmal gewesen bin.
Kamikaze-Sub, so wurde ich damals genannt. Die verrückte Sisa, die sich keinerlei Gedanken um ihre Sicherheit macht. Eine Frau, die sich auf die verrücktesten Geschichten einlässt, sich nicht covern lässt - und wie durch ein Wunder ungeschoren davonkommt. Immer und immer wieder.
Die sich wie Phönix aus der Asche erhoben hat, ständig neu erfand. Niemals ganz zerbrochen. Niemals zerstört. Über alle lachend, die geunkt haben, die ihr damals ein schlimmes Ende prophezeien wollten.
Lehrgeld hat sie auch bezahlt, gelernt hat sie daraus niemals etwas. Bis heute. Ja, so war sie. Unverbesserlich, anders kann man es nicht nennen.
Bis sie vor ihrem finalen Endgegner stand.
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