Antrag am Schwarzsee
Eine BDSM-Geschichte von Gregor
Niemand wusste, weshalb Franciszek Wilk nach dem Fall des Eisernen Vorhangs so viel Geld für sein Urlaubszentrum besaß. Die Einen sagten, er hätte einen Schatz gefunden. Sie vermuteten, dass Wilk ihn im Park des alten Gutshauses ausgegraben hatte. Nachdem die verdienten Genossen der polnischen Arbeiterpartei ihr Urlauberheim nicht mehr betraten und der Park ohne Wachposten dem Volke offen stand, dachten sie sich Herrn Wilk mit Schatzkarte und Spaten des Nachts grabend auf bisher verbotenem Gebiet. Die Abergläubischen behaupteten, Franciszek Wilk stünde auf unheimliche Art mit dem Deiwel im Bunde, diente der Kornmuhme als menschlicher Gehilfe oder gründete seinen Erfolg am Schwarzsee auf einen furchtbaren Pakt mit dem Topich, einem unheimlichen Männchen im roten Anzug und ewig nassem Haar, das stets darauf wartete, Menschen in einen seiner tausend Seen zu ziehen, um sie darin gnadenlos zu ertränken.
Jedoch war es weder ein verborgener Schatz, noch der Wassergeist, der dem jungen Gastwirt zu Investitionskapital verhalf. Tatsächlich erschien nach der zauberhaften Verwandlung guter Genossen in Demokraten und Marktwirtschaftler ein älterer Mann aus dem Westen Deutschlands, der Quartier im Gasthaus nahm und Franciszek Wilk eines der ersten privaten Geschäfte zwischen einem Polen und einem Deutschen nach langjähriger Pause anbot. Dieser Mann kannte sich im Dorf aus, verbrachte viel Zeit im Park des Gutshauses und noch viel mehr Zeit am Schwarzsee. Der Bund der polnischen Jugend hatte sein dortiges Lager aufgegeben. Wie traurige Gespenster standen die alten Steinhütten neben den neueren Asbestbungalows am See. In den letzten Jahren hatte man nur wenig in die Erhaltung investiert. Der ältere Mann sprach von einem Campingplatz, neuesten Standards, Plätzen für Wohnmobile, einer Gastronomie, vor allem aber über die Rekonstruktion der zwanzig kleinen Ziegelhäuser und dem Speisehaus, über dessen Eingangstor der Besucher noch immer in Klinkersteinen die Jahreszahl 1878 lesen konnte.
Als Franciszek Wilk seinen Platz im Jahr 1991 eröffnete, kamen viele Deutsche an den Schwarzsee. In den ersten Jahren waren es überwiegend Menschen, die vor langer Zeit in Masuren gelebt hatten und ihre alten Sehnsuchtsorte besuchten. Heute kommen die Deutschen, weil sie direkt am See ihren Urlaub verbringen können, der Service nichts zu wünschen lässt und die Preise ein gutes Drittel unter deutschen Plätzen liegen.
Im Moment sitzt Franciszek Wilk in seinem Büro. Er schaut über die alten Häuser hinweg auf den See, beobachtet einige Ruderboote, späte Schwimmer und eine Sonne, die in kurzer Zeit hinter den Baumkronen des Mischwaldes verschwinden wird. Seine Monatsabrechnung liegt vor ihm. Er denkt an den älteren Mann, der sich so gut auskannte in Schloss und Park, am Schwarzsee, und er denkt an das gelungene Geschäft von damals, in den unklaren Zeiten der großen Gier.
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