Die Geister, die ich rief
Eine BDSM-Geschichte von Meister Y.
Platz 6 im Schreibwettbewerb "Spuren" (Link).
Claudia mochte diese Stunden mit Udo, diese „Auszeiten von der Ehe“, wie sie es nannte. Die Momente, in denen sie ihre Lust, ihre Neigung ausleben konnte. Lange hatte sie ihre geheimen Sehnsüchte verdrängt, sie als falsch und ungehörig abgetan. Detlef, ihr Mann, den sie wirklich liebte, den sie niemals verlassen würde, wusste weder von ihrem Doppelleben, noch davon, wie ausgeprägt ihre masochistische Veranlagung war. Sie sagte immer wieder, dass sie eine gute Ehe führten, liebte den Vanillasex mit ihrem Mann. Mochte seine liebenswerte Art, sein Wesen. Die Art, wie er die Familie zusammenhielt, sich trotz seines Vertreterjobs um die Kinder und das Haus kümmerte. Wie er ihr den Rücken freihielt, wenn ihr Job als Lehrerin mal wieder mehr Zeit erforderte als gedacht.
Dass sie auf dieser speziellen Webseite, auf der sie anfangs nur gelesen hatte, Udo kennenlernte, dass er nur wenige Kilometer von ihr entfernt wohnte, bezeichnete sie immer wieder als einen der großen Glücksmomente ihres Lebens. Mit ihm konnte sie ausleben, was sich in ihr verbarg. Bei ihm musste sie keine Stärke beweisen, konnte sich hingeben, einfach sie sein. Er verstand es, für sie da zu sein, sie zu führen. Udo lebte seine Dominanz genau so, wie sie es mochte. Er konnte aber auch sadistisch genug sein, um sie den Lustschmerz erleben zu lassen, den sie so sehr begehrte. Vom ersten Moment an, den Udo sehr lange hinausgezögert hatte, war zwischen beiden besprochen, dass es niemals mehr als eine Spielbeziehung geben würde. Claudia hatte offen klargemacht, dass sie ihren Mann nie verlassen wolle. Ab und an bezeichnete sie Udo sogar als Garant für ihre Ehe. Er hatte all das akzeptiert, war auch sofort die Vereinbarung eingegangen, dass er niemals sichtbare, verräterische Spuren auf Claudia hinterlassen würde. Zwei Jahre hielt ihr dunkles Geheimnis inzwischen, zwei glückliche Jahre. Zwar war sie sich nie sicher, was er sich alles für sie einfallen ließ, mit welchen Aufgaben er sie bedachte, manchmal sogar von ihr forderte. Bislang aber hatte sie noch nie davon Gebrauch gemacht, etwas durch ihr Safeword zu beenden. Sicherlich hatte auch die Anonymität der Großstadt zu ihrem Glück beigetragen, selbst dann, wenn er sie demütigte.
Dieses Mal sollte alles anders sein.
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