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Warten auf den Abend

Eine BDSM-Geschichte von Sophie Amalia.

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Ungeduldig schaue ich schon wieder auf die Uhr. Es ist erst 14:30 Uhr. Immer noch zwei Stunden, bis sie heimkommt. Sie, meine Königin, meine Göttin, meine Eheherrin. Ich sitze nervös am Schreibtisch, müsste eigentlich noch ein paar E-Mails an Kunden beantworten. Ein Angebot ist auch erst halbfertig. Aber stattdessen kreisen meine Gedanken um den heutigen Abend. Ich bin aufgeregt in Erwartung dessen, was heute geschehen wird, endlich wieder geschehen wird ...

 

Meine Liebste hatte mir heute Morgen am Frühstückstisch eine Strafe angekündigt. Eine Strafe für meine gestrige Verfehlung, so sagte sie. Ich hätte die Gartenarbeit nur unzureichend ausgeführt, die Tomaten vergessen zu düngen. Ich gehe den gestrigen Morgen gedanklich durch. Im Bad stand sie unter der Dusche. Während ich mit dem Handtuch wartete, trug sie mir auf, den Rasen zu mähen, sobald ich mit meiner Arbeit für die Firma fertig wäre. Kein Wort sprach sie von Tomaten. Ich bin mir sicher. Sehr sicher, denn ich höre ihr immer genaustens zu. Schließlich ist es meine Aufgabe, sie glücklich zu machen.

Weil sie es so will.

Weil ich sie liebe.

Und weil ich es liebe, ihr zu Diensten zu sein. Ich bin ihr Ehesklave, und ich bin es gern. Durch und durch.

 

14:45 Uhr. Verdammt. Untätig rumgesessen habe ich in der letzten Viertelstunde. Mein Angebot, das ich eigentlich vervollständigen wollte, liegt immer noch offen auf meinem Monitor. Keinen Schritt bin ich weiter. Stattdessen blinken nur weitere neue Nachrichten in meinem Postfach. Ich kann mich nicht konzentrieren, mache mir um meinen Job im Moment gar keine Gedanken. Das ist selten, denn eine Arbeit im Homeoffice verlangt Disziplin. Ich arbeite seit drei Jahren von zu Hause aus, gestalte mir meine Arbeiten flexibel. Hauptsache ich schaffe meine Wochenziele und halte Videokonferenzen ein. Ich kann jetzt nicht arbeiten, lasse meine Gedanken schweifen.

Was hat sie vor mit mir, wenn sie heute heimkommt? Wird es eine Bestrafung geben? Eine richtige Bestrafung mit Peitsche, Rohrstock, Klammern und Wachs? Völlig egal ist mir das, Hauptsache, es tut weh. Na ich bin schon einer, denke ich und sehe mich im Spiegel neben meinem Schreibtisch grinsen. Ja, ich sehne mich nach Schmerzen. Aber so bin ich eben, liebe es, wenn mein Körper ein bisschen gequält wird. Und Spuren betrachte ich zu gern im großen Spiegel unten im Flur. Darauf bin ich immer besonders stolz. Vor allem, wenn sie auch nach Tagen noch sichtbar sind. In meinen Augen sind es die schönsten Verzierungen an meinem Körper. Wie sie sich ändern, von rot zu blau und gelb und grün. Ich liebe jede Phase davon, darf sogar Fotos machen für meine Liebste. Eine Dokumentation ihrer professionellen Arbeit an meiner Person, nennt sie es, drückt sich dabei absichtlich gekünstelt aus und lacht mich an. Meine Liebste weiß, wie ich es mag, wenn meine Arbeit im Sitzen fast unmöglich ist, weil ich auf dem Stuhl hin und her rutsche vor genießendem Schmerz. Genau, auf einem harten Stuhl muss ich sitzen. In der Zimmerecke steht er.

 

14:54 Uhr. Ein Anruf holt mich aus meinen Gedanken. Ein aufgeregter Kunde wartet ungeduldig auf das Angebot, obwohl eigentlich meine Bestätigung für morgen vereinbart war. Ich beschwichtige ihn am Telefon, sage, dass ich schon fast fertig bin. Mein Blick fällt dabei auf den Monitor. Hmm. Einige wichtige Positionen fehlen noch. Gleich nach dem Telefonat werde ich mich sputen und das Angebot fertigstellen. Ich versichere dem Herrn Weferling im besten Kumpelton, dass er das Angebot in einer Stunde hat. Kein Problem. Ich lege auf.

 

Es ist 14:59 Uhr und meine Gedanken sind beim Stuhl. Dort steht er, in der Ecke. Es ist ein schöner Holzstuhl, ohne Polster. Ich lege da häufig meine Ordner ab. Eigentlich ist dieser Stuhl nie frei. Aber dann und wann kommt meine Königin, räumt die Ordner auf den Fußboden. Sie schaut mich mit ihrem zuckersüßen Lächeln an und fragt mich, ob dieser Holzstuhl nicht bequemer wäre für meine Arbeit am Schreibtisch. Und sofort bejahe ich das, schiebe meinen weich gepolsterten Bürostuhl mit den bequemen Armlehnen zur Seite und hole mir diesen Holzstuhl an den Tisch. Oh, welch wundervollen Schmerz bringt mir der Stuhl, wenn am Abend zuvor die Peitsche auf meinen Hintern knallte und ich das Empfinden des durchdringenden Ziehens noch einmal erleben kann. Genau dieses Gefühl befriedigt mich. Ich habe eine masochistische Ader. Und sie weiß es ganz genau. Ihr ist klar, sie würde mir einen Gefallen tun, wenn ich tagtäglich ihren Sadismus zu spüren bekäme. Aber dies geschieht nicht. Zu selten gibt es Sessions hier im Haus. Sie ist eben zu sanft, meine Liebste. Nur manchmal spürt sie das Verlangen mich zu schlagen, zu foltern und zu quälen. Ich dagegen empfinde tagtäglich Folter und Qual. Während ich ihre Nähe genieße, wünsche ich mir, sie würde einfach mal unvermittelt mit der Hand ausholen und mich ohrfeigen. Es braucht keinen Grund dafür, würde mich aber unheimlich glücklich machen. Stattdessen ist sie liebevoll, streichelt mir gern über die Wange. Sie küsst mich wie ein verliebter Teenager. Und während all der Zeit lässt sie mich warten und hoffen. Manchmal passiert wochenlang nichts. Vielleicht ist genau das eine Form ihres Sadismus, mir nicht zu geben, was ich so sehr begehre. Manchmal glaube ich, das ist so. Sie macht es absichtlich. Meine Göttin foltert mich, ohne mich zu foltern. Sie quält mich, ohne Hand an mich anzulegen. Seelische Folter ist das.

 

Mit Blick auf die Uhr schrecke ich hoch. Es ist bereits kurz vor halb vier. Ich habe mich in meinem Tagtraum verloren, blicke zwischen dem offenen Angebot auf dem Bildschirm und der Uhr hin und her. Jetzt gilt es, mich zu straffen und die verlorene Zeit aufzuholen. Wobei, wieso verloren? Zeit für Träume ist nie verlorene Zeit. Ich finde diesen Gedanken richtig und fange erneut an zu grinsen. Ein paar Stunden noch. Dann kommt der Moment, auf den ich mich so sehr gefreut habe. Lange Zeit gab es keine Session. Die letzte Bestrafung liegt mindestens 6 Wochen zurück. Ich kenne den Tag nicht mehr genau, sehe auf der Kamera nach. Wann hatte ich die letzten Bilder von mir fotografiert? Hier sind sie. Schön hat mich meine Königin verziert. Fotos von Kerzenwachs sind auch dabei. Und schon wieder könnte mein Kopf auf Reisen gehen. Ich merke, wie es in mir kribbelt. Die Aufregung macht mich fast verrückt. Was wird meine Göttin heute mit mir tun?

 

Herr Weferling, jetzt aber wirklich. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Ich setze mich an die Tastatur, tippe mein Angebot weiter. Obwohl voll konzentriert, folgen mir meine Finger nicht so, wie ich es will. Oft vertippe ich mich. Meine Gedanken arbeiten zu schnell. Konzentriere dich, sage ich mir, werde schnell fertig, stell den Kunden zufrieden, dann ist es der Chef ebenfalls. Ich möchte mich von der Last des Angebotes befreien, damit ich mich auf den Abend freuen kann.

 

Zufrieden schaue ich auf das Ergebnis. Das Angebot ist fertig. Es wurde höchste Zeit. Ich hatte zu lange getrödelt. Eigentlich hatten wir die Abgabe für morgen ausgemacht. Egal, ich habe es geschafft. Ich tippe dazu eine gute gelaunte E-Mail, wünsche dem Herrn Weferling einen schönen Feierabend und denke dabei an das Vergnügen, das ich sehr bald auf jeden Fall haben werde. Meine Liebste hat schließlich eine Ankündigung gemacht. Heute wird eine der seltenen Sessions stattfinden.

 

16:20 Uhr. Ich habe es geschafft, den Nachmittag rumzukriegen, und war dabei sogar produktiv. Jetzt eile ich ins Wohnzimmer, auf dem Arm alle Utensilien des heutigen Abends, welche Verwendung finden könnten. Alles hat seinen vorbestimmten Platz und so ist der Raum für die angekündigte Bestrafung schnell und ordentlich vorbereitet. Ich eile zurück ins Obergeschoss, ziehe mich aus. Ordentlich lege ich meine Sachen auf die Truhe im Schlafzimmer und gehe nach unten, vorbei am Spiegel. Zu lange konnte ich keine farbigen Spuren früherer Bestrafungen an mir erkennen. Nur mich sah ich, fast weiß in verblasster Bräune. Ich gehe auf die Knie, um die Heimkehr meiner Herrin abzuwarten. Kurz darauf schon höre ich das Auto in der Einfahrt. Schuhe klackern bis zur Haustür. Der Schlüssel rasselt im Schloss. Ich merke meine innere Anspannung, bin aufgeregt. Heute wird wieder einer der von mir ersehnten Abende sein. Als sie vor mir steht, küsse ich ihre Schuhspitzen, begrüße meine liebste Eheherrin angemessen. Sie lächelt mich an, streicht mir über den Kopf, hält ihre andere Hand an meine Wange. Ob ich sie vermisst habe, fragt sie und ob mein Tag schön war. Natürlich habe ich sie vermisst. Ich bekunde es mit allen schönen Worten, die mir einfallen, küsse erneut ihre Schuhe. Sie blickt vom Flur aus durch die offene Tür ins Wohnzimmer, lächelt mit Blick auf die bereitliegenden Spielzeuge. Ich habe die Rohrstöcke frisch gewässert, sage ich ihr. Schließlich möchte sie bestimmt nicht, dass sie zerbrechen, wenn sie sich an mir austobt.

Sie schaut mich an, liebevoll ist ihr Blick. Mein Herz klopft vor Freude. Endlich beginnt wieder einer der Abende, nach denen ich mich stets so sehr sehne. Meine Augen glühen und ich könnte mich ewig im Blick meiner Königin verlieren, wenn sie mich so ansieht. Ihre darauffolgenden Worte treffen mich jedoch härter und unvorbereiteter als die lange Single Tail, welche ich gleichzeitig liebe und hasse, mehr liebe als hasse, obwohl meine Königin diese Peitsche ohne Vorwarnung schlägt, während ich blind bin durch die Maske.

Meine Liebste holt mich in die Realität, spricht etwas von Freundinnen. Ich habe im ersten Augenblick Worte vernommen, aber keine Aussage dahinter verstanden. Langsam bastelt mein Gehirn einen Sinn aus den Worten. Ihre Freundinnen. Heute. Sie kommen zu Besuch. In einer Stunde bereits. Eine Stunde ... Zu wenig Zeit. Leider. Sie bedauert es, dass ich alles umsonst so schön vorbereitet hatte, und weist mich an, die Spielsachen wieder wegzuräumen. Danach dreht sie sich um und steigt die Treppe hinauf, um eine Dusche zu nehmen.

 

Ich knie auf dem Fliesenfußboden im Flur. Kalt kommen sie mir auf einmal vor. Kalt ist auch mir. Verschwunden ist die Hitze in meinem Körper, das Glühen, die Erregung der freudigen Erwartung. Ich knie auf den Fliesen, auf dem Boden der Tatsachen. Heute wird es wieder mal keine Session geben. Traurigkeit steigt in mir hoch, Enttäuschung. Wut. Ja, da ist auch Wut. Ein bisschen. Sie ist da, weil sie mich weiter warten lässt. Es gibt heute keine Befriedigung meiner Wünsche. Sie macht das absichtlich, denke ich.

Eine wahre Sadistin.

Quält so ihren Sklaven.

Folter ohne Folter.

Das hier ist schmerzhafter als unerbittliche Schläge.

Ich soll nach dem Sekt schauen, ruft es von oben, ihn noch schnell kaltstellen. Jetzt lächle ich wieder. Ja, sie ist und bleibt meine Liebste. Sie entscheidet und ich folge. Und sie hat für heute entschieden. Und ich leide. Für sie.

 

Ich erhebe mich vom Fußboden. Aufgaben warten auf mich.

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Kommentare von Leserinnen und Lesern

Diedie Nerin

Autorin.

18.09.2023 um 16:45 Uhr

wow, eine story aus dem blickwinkel des anderen geschlechts so überzeugend in form zu bringen: meinen allergrößten respekt! ich war total in seinen gedanken, konnte jedes sehnen und jedes ausmalen so gut nachvollziehen. und schließlich die "strafe" der nichtbestrafung. super gelungen!

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Sisa

Autorin. Förderer.

18.09.2023 um 10:44 Uhr

Deine Geschichte hat mich abgeholt, vom ersten Moment an. Ich kenne diese Augenblicke, wenn die Gedanken aus der Realität fliehen und sich auf das bevorstehende Treffen konzentrieren wollen. Es ist so schwer, diesen Tagträumen zu widerstehen.

Und die Sache mit dem Foltern, ohne dass überhaupt Hand angelegt wird. O ja, und wie ich die aus eigener Erfahrung kenne. Auch die Enttäuschung, wenn sich die Träume auftürmen zu wahren Wolkenbergen - und dann passiert nix.

Ich mag deine Geschichte, sie ist ein kleiner Einblick in das Sklavendasein, wie alle Devoten es wohl kennen ... DANKE!

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Efstratia Schober

Profil unsichtbar.

07.09.2023 um 21:32 Uhr

Wow gut geschrieben

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05.08.2023 um 01:19 Uhr

Erst ein wortreicher Spannungsaufbau...und dann wird man quasi so kalt erwischt wie der Protagonist selbst.

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Gelöscht.

06.04.2023 um 23:25 Uhr

Ich hoffe die Geschichte geht weiter….

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Gelöscht.

21.04.2022 um 06:04 Uhr

Vorhersehbare Wendung. Ob Alltag, Kalkül oder Gedankenlosigkeit ... allein darin läge für mich der springende Punkt. Ist nicht klar, also bleibt ein Geheimnis. Mir gefällt es so, da es Freiraum lässt. Das Denken macht uns zum Menschen.

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21.01.2022 um 14:51 Uhr

Woher weißt Du was in meinem Kopf vorgeht…?

Die Enttäuschung kommt einem sooo bekannt vor!

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Gelöscht.

20.12.2021 um 09:44 Uhr

Ganz egal von welcher speziellen Neigung man sich steuern läßt, für mich geht es in dieser Geschichte um einseitige Erwartungshaltungen. Vermeintliche Enttäuschungen sind vorprogrammiert. Als "Amboß" ist Leidensfähigkeit zwingend notwendig. Aber die gehört ja quasi zu den "Basics" und ist Teil des Agreements.

Die Geschichte suggeriert uns die Rollenverteilung: Dominante Frau - submissiver Mann und die Autorin versetzt sich in die Rolle des submissiven Mannes. Ich habe keine Hinweise auf diese Perspektive in dieser Geschichte gefunden. Jede andere Kombination ist auch möglich und macht das eingangs geschilderte Problem universal. Darin besteht die eigentliche Qualität dieser Geschichte, jedenfalls für mich. Mir gefällts! Danke

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20.12.2021 um 00:49 Uhr

So viel Vorfreude, so eine Enttäuschung! Aber nicht über die Geschichte, die ist großartig. Der Spannungsbogen wird hervorragend beschrieben. Ich kann das gut nachvollziehen, und ich bin ganz perplex, dass sich eine Frau als Autorin so gut in einen submissiven Mann hineinversetzen kann. Danke!

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Gelöscht.

13.12.2021 um 17:28 Uhr

Sehr schön, wie Du Dich in die Gedankenwelt dieses Ehesklaven hineinversetzt hast. Vielen Dank fürs Schreiben!

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Berücksichtigt wurden nur die letzten Kommentare.

Zu allen Beiträgen im Forum zu dieser Veröffentlichung.

 

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