Ich bekam die Rolle am Theater. Ich war die Einzige, die sich beworben hatte, gestand er mir mal. Eines Nachts begleitete er mich im Sommerregen zum Taxistand am Odeonsplatz. Ein Blick, ein Kuss und ich versank in seinen Armen. Das war vor vier Monaten. Und jetzt knie ich immer noch unversehrt vor ihm.
Platz 7 im Schreibwettbewerb »Spuren« (»Schreibwettbewerb: Spuren«).
Der Duft der Lavendelkerze, die Benedikt eben angezündet hat, nimmt allmählich den Raum ein. Seit einer ganzen Weile knie ich nun vor ihm auf dem knarzigen Fischgrätenparkett, atme kaum hörbar und schmecke noch immer den salzigen Schweiß seiner Haut. Benedikt sitzt vor mir auf der Bettkante und streichelt sanft durch mein Haar. Einzelne Strähnen lässt er zwischen seine Finger gleiten.
Ich möchte hier ewig sein.
Mit dem Kopf liege ich weich in seinem Schoß und meine Arme schmiegen sich um seine Hüfte. Nie hatte ich es mir vorstellen können, mit meinem Theaterregisseur so eine Verbindung einzugehen. Es ist einfach so passiert. Dieses Gefühl, gewollt und gewünscht zu sein. Wie ein Reisigbesen verwischt es nahezu alle Spuren zu den dunklen Flecken in den schmerzvollen Erinnerungen. Sie reichen zurück bis in den Winter 1991.
In diesem November bekam ich den ersten Kuss von einem Jungen auf einer Schulfete. Wochenlang habe ich ihm verliebt hinterhergeschaut. Er hat mich danach eingeschlossen in der Sport-Umkleide und alle haben mich ausgelacht. Zehn Jahre später sah ich, wie Tim, einer meiner großen Lieben, meine beste Freundin in der Diskothek erst in meinem Beisein geküsst und dann auf der Toilette gevögelt hat. Ich war ihm egal und ich war auch ihr egal. Ich war nur das Verbindungsstück. Es war nicht mal das »Fremdgehen«. Es war dieses »Zuschauen lassen«. Er hatte es in Kauf genommen, mich zu verletzen.
Kreuz und quer zogen diese zwei Ereignisse Schneisen der Verwüstung durch meine Seele. Erniedrigung, Verrat und Demütigung, in ihren dunkelsten Facetten. Diese Spuren werden immer bleiben. Die Jahre vergingen. Aus fünf Jahren wurden zehn. Aus zehn Jahren wurden fünfzehn und ich konnte mich bei einem Mann nie wirklich fallen lassen.
Dann kam diese Mail von einem Freund.
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