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Der Reiz

Eine Fetisch-Geschichte von Schattenwölfin.

Vorlesen

Es war spannend. Die Teilnehmer warteten, was für einen Gegenstand Julia aus der „Reiztüte“ holen würde, nachdem sie die sich daran anschließende Schreibübung erklärt hatte. Natürlich rechnete Matthias mit etwas BDSM-lastigem, jedenfalls Erotischem.

Natürlich, denn schließlich nahm er nicht an einem Volkshochschulkurs „Kreatives Schreiben“ teil, sondern das Angebot eines Vereins wahr, der im Internet erotische Texte veröffentlichte. Eindeutig erotische Geschichten und Gedichte.

Matthias kannte die Seite seit einem guten Jahr. Genoss den geschmackvollen Rahmen, in dem sie gehalten war, und las gerne die Geschichten. Selbst hatte er noch keinen Text zur Veröffentlichung eingereicht. Er traute sich nicht so recht. Ideen hatte er viele, aber ob er sie zum Gefallen der Leser würde in Sätze fassen können? Dafür kommentierte er fleißig die literarischen Arbeiten der anderen Autoren, tummelte sich gerne im Chat und pflegte mit dem ein oder anderen Nutzer einen regen Austausch persönlicher Nachrichten. 

Persönlich? Persönlich, also wirklich persönlich kannte Matthias niemanden. Deswegen konnte er sich nicht sofort für die Teilnahme an der Schreibwerkstatt entscheiden. Er teilte Julia, die er aus dem Chat kannte und von der er wusste, dass sie auch teilnehmen würde, seine Bedenken mit. Es war Matthias‘ erste persönliche Nachricht an sie. Julia antwortete umfassend und konnte seine Bedenken zerstreuen, sodass es ihm nun leichter fiel, sich anzumelden. Die Spannung stieg. Am Morgen des Anreisetages wurde er nervös, wollte schon kneifen und machte sich dennoch auf den Weg. Ein verschlafener Ort, ein spektakuläres Gebäude. Sieben ihm fremde Menschen. Was hatte er erwartet? Sie sahen alle so normal aus. Das gemeinsame Kochen hätte die Atmosphäre lockern können, wenn sie denn in irgendeiner Weise verkrampft gewesen wäre. Die Stimmung war gut. Nach und nach waren die Teilnehmer eingetrudelt, hatten eine erste Schreibübung absolviert, Gemüse für die Suppe geschnippelt, nachmittags Kaffee getrunken, später auch ein Bier oder einen Wein.

 

Nun saßen alle um den großen Tisch herum, hatten gefrühstückt und sollten loslegen, mit der Hand und ohne innezuhalten alles aufschreiben, was ihnen zum Reiz spontan einfiel. Der Reiz. Langsam und mit einem die Spannung steigernden Lächeln  - war sie wirklich devot? - zog Julia ein Paar schwarzglänzende Lackpumps aus einer Tüte.

Highheels. Vierzehn Zentimeter? Achtzehn?

Sie sorgten augenblicklich für eine Mehrfach-Ideen-Zündung. Und für Verwirrung. Matthias konnte sich nicht entscheiden. Er sah die Pumps an Julias Füßen - sexy - und verband dieses Fußbild mit anderen Bildern in seinem Kopf. Dort trug sie nicht mehr nur diese Schuhe an den Füßen, sondern auch ein schwarzes Lederkorsett.  Und den Halsreif. Natürlich auch den. Ein betörendes Make-up legte Matthias ihr in Gedanken auf. Ihre strahlenden Augen brauchten keine besondere Betonung, einen Lidstrich und vielleicht ein wenig Wimperntusche. Den Lippen verpasste er dafür ein spektakuläres Ochsenblutrot, das mit ihren weißen Zähnen um die Wette strahlte. Hose oder Rock? Was zog Matthias ihr bloß noch an? Heute trug sie eine eng anliegende Jeans.

Um Matthias herum emsiges Schreiben. Fünfzehn Minuten. Köpfe rauchten. Zähne bissen auf Lippen und Bleistiftenden.

Matthias entschied sich für einen Rock aus einem Stoff, dessen Name er nicht kannte. Nicht wirklich durchsichtig. Durchscheinend eher. Julias  weiblich-weichen Hüften umspielend. Sie war perfekt. Matthias fragte sich, wofür sie sich so schön gemacht hätte. Ging sie zu einer SM-Party? War ein feierliches Treffen mit anderen Community-Mitgliedern geplant? Oder wäre sie alleine mit ihrem Mann, der zu schätzen wüsste, dass und wie sie sich zurechtgemacht hatte? War es ein anderer Mann? Nicht ihr eigener? War es Matthias?

Er war verwirrt, konnte sich noch immer nicht entscheiden oder noch weniger, als zu Beginn der Übung, kehrte aus seinen Gedanken zurück an den ovalen Tisch. Hörte die Stifte der anderen über das Papier gleiten. Julia schrieb auch fleißig. Der Füller in ihrer Hand schien über den Block zu fliegen. Ihre Schrift beeindruckte Matthias, ohne ihn wirklich zu überraschen. Sie passte zu dem Bild, das er sich von ihr aufgrund der virtuellen Begegnungen gemacht hatte. Ein Bild, das sich in den wenigen Stunden, die sie sich nun real kannten, gefestigt hatte. Kurz noch hielt Matthias den Blick auf Julias Gesicht gerichtet. Es strahlte mit Zurückhaltung und sehr, sehr weiblich. Lange hatte er keine Frau mehr getroffen, die er so reizvoll fand. Seine Augen wanderten über die glänzende Oberfläche des Tisches, vorbei an den schwarzen Pumps zurück zu seinem Notizbuch. Leer.

 

Ausgereizt.

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Kommentare von Leserinnen und Lesern

Gelöscht.

04.12.2018 um 19:35 Uhr

Nicht mein Fall trotzdem Danke

Gelöscht.

26.11.2014 um 19:53 Uhr

Wunderbar was so ein Reiz doch auslösen kann. Eine Blockade auf der einen, eine wunderbare Phantasie auf der anderen Seite.

Toll geschrieben. Hoffentlich war es Matthias noch möglich, die Phantasie zu Papier zu bringen.

 

rauenstein

Gelöscht.

26.11.2014 um 05:00 Uhr

toll geschrieben, danke das Du uns teilhaben lässt

Gelöscht.

24.08.2014 um 10:05 Uhr

Eine schöne Erzählung die zeigt das schon die Anwesenheit einer Frau bei Männern Schreibblockaden verursachen kann. Ich hoffe er hat noch eine Geschichte zum Thema " Reiz " schreiben können.

Quälgeist

Autor.

27.01.2014 um 13:21 Uhr

Interessant, dass 'Mann' bei High Heels sofort an Korsett, Halsreif, "ochenblutrote" Lippen, SM Party denkt - und zu nichts mehr kommt. Man könnte meinen, sie hat das bewusst i'n Kauf genommen'.

Schön!

Knurrwolf

Profil unsichtbar.

26.01.2014 um 18:41 Uhr

Eine nette Geschichte, bei der man sich sofort fragt, wieviel davon wohl durch das wahre Leben inspiriert wurde. Es wirkt wie ein kurzer Ausschnitt, eine Art Momentaufnahme von etwas, das passiert sein könnte oder nicht. Dadurch fehlt dem Text logischerweise etwas die Tiefe.

Nur bei dem Wort "Ochsenblutrot" hat es mich aus der Spur geworfen und ich brauchte einen Moment um das Bild einer Fleischfachverkäuferin aus dem Kopf zu bekommen.

24.12.2013 um 02:38 Uhr

Die Kurz-Geschichte wirkt zunächst unvollständig.

Margaux Navara

Autorin. Förderer.

29.10.2013 um 15:02 Uhr

"Sie sahen alle so normal aus." - Danke! Auch für mich eine Überraschung!

Ich hätte auch lieber etwas über Highheels geschrieben als über ein Kazoo. Aber viel schlimmer war der Bindestrich - ungewiss hat wohl doch eine sadistische Seite!

Vielen Dank, schön geschrieben, Wölfin!

Und lieber eine Viertelstunde Kopfkino als fünfzehn Minuten Schreibblockade, liebe Lucia!

Gelöscht.

28.10.2013 um 11:26 Uhr

Die Einleitung ist gut, auch wenn er in der Schreibwerkstatt nur ein leeres Blatt aufweisen konnte.

Aber das soll alles sein - oder wann kommt es zu einem weiteren Kapitel dieser Kurzgeschichte?

poet

Autor.

24.10.2013 um 10:22 Uhr

Ja, auch mir gefällt diese Spannung zwischen strömender Fantasie und blockierter Hand. Da denkt jemand in Bildern, soll aber Worte draus formen, und da liegt der Hund begraben. Danke für den Lesespaß!

Berücksichtigt wurden nur die letzten Kommentare.

Zu allen Beiträgen im Forum zu dieser Veröffentlichung.

 

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