Brittas Fotos
Eine BDSM-Geschichte von Hans Bergmann.
Seit einem Jahr ist Altmeier tot. Schuld ist seine Nachbarin, Sina Schwarz. Ein Unfall sagte Britta. Tragisch. Die Dunkelheit. Britta muss es wissen. Sie ist meine Freundin und hat immer Recht. Und sie kennt Sina. Die beiden sind Kolleginnen. Sie hängen oft zusammen, reden. Britta hat mir von Sina und Altmeier berichtet.
Sina lebte beinahe sehr glücklich. Nur eine Kleinigkeit fehlte. Sie mochte es etwas strenger. Ihr Mann Max war nicht geeignet. Er hat es versucht, aus Liebe. Aber sie mussten immer nur lachen. Also versuchte Sina etwas anderes. Sie fand Ralf. Max durfte das nicht wissen. Der hatte herkömmliche Vorstellungen von Ehe. Also machte es Sina heimlich. Dafür nutzte sie Ralf. Der nutzte sie auch. Alles lief bestens. Ralf hatte seine Familie, Sina hatte ihre Familie. Geordnete Verhältnisse gibt man nicht auf. Das war Sinas Meinung. Arbeit, Familie, Kinder, Haus, Auto, Geld, Urlaub. So etwas sind Puzzleteile vom Glück. Das schmeißt man nicht weg. Nicht für sexuelle Befriedigung. Man muss sich im Griff haben. Sex kann man regeln. Auch im härteren Bereich. Geilheit ist keine Lebensgrundlage. BDSM ist keine Ideologie. Es ist Zuckerguss auf dem bürgerlichen Kuchen. Mehr nicht. Sina hatte alles im Griff. So konnte es weitergehen.
Die Störung kam mit einer Mail. Fotos. Sina und Ralf in Aktion. Alle Bilder vom Nachbargrundstück geknipst. Altmeier! Das Schwein! Wollte mitmischen. Wozu in die Ferne schweifen? Das schrieb der widerliche Kerl. Und dass sich Sina dreinfinden müsse. Er hat die Fotos, schrieb er. Sie sollte gehorchen. Ab sofort wäre er der neue Dom. Und sie würde es nicht bereuen. Er hätte was drauf. Kennt sich aus mit Frauen. Sein Kabinett im Keller wäre fertig eingerichtet. Sogar einen gynäkologischen Stuhl besäße er. Käfig, Andreaskreuz, eine umfassende Dildosammlung. Alles für Sina. Alles stets verfügbar. Es sind ja nur ein paar Schritte.
Manchmal liegt das Schöne nicht nah. Altmeier, der Nachbar! Abhängig von dem? Benutzt? Entsetzen schnürte Sina ein. Altmeier zeigte sich zwingender als ein Korsett. Sie konnte sich das nicht vorstellen. Weißer Bauch, dünne Ärmchen. Das war Altmeier. Achselhaare zum Zopfflechten. Grauer Haarpelz auf dem Rücken. Wulstige Lippen, schweinsblaue Augen, Leichenfinger. Haare wie ein Clown im Zirkus. Und immer verbindlich lächelnd. Ein Widerling. Helle Stimme. Guten Tag, Frau Nachbarin!
Als Nachbarn konnte sie ihn tolerieren. Er verhielt sich stets korrekt. Man musste vor dem Essen ja nicht rüberschauen. Wie der gärtnerte! Mit weißem Unterhemd und Turnhose. Manchmal hing ihm ein Ei so halb raus. Mit dem? Das ging über jede Grenze. Lieber tot sein.
Altmeier liebte abendliche Spaziergänge. Vielleicht lag es an seiner dunklen Kleidung. Auch fiel ein leichter Regen. Tragisch! Der eigene Nachbar. So viele Tränen, Selbstvorwürfe, psychologische Behandlung. Die arme Sina. Was für eine Last. An so etwas trägt man ein Leben lang. Sie konnte ein Jahr lang nicht Auto fahren.
Vorbei! Sina hat noch immer alles. Kinder, Haus, Hund, Mann, Ralf, guten Sex. Ihre neuen Nachbarn sind ruhige Rentner.
Wir sitzen auf meinem Balkon. Britta mag Weite. Die Türme der Stadt, Wolkenbilder. Altmeier, sagt Britta, war ein negatives Beispiel für Abhängigkeiten. Er hat nicht verstanden, was Einvernehmlichkeit bedeutet. Der hat nur sich gesehen. Grenzen, Grenzüberschreitungen, Einvernehmlichkeit, alles Fremdworte für ihn. Der Mann hat nicht im Ansatz BDSM begriffen. Das Leben hat die Sache geregelt.
Das Leben also, sage ich. Hat Sina nicht ein wenig überzogen?
Britta sieht mich an. Beantworte dir folgende Fragen, fordert sie. Wer hat deine Sympathie? Sina oder Altmaier? Hat dich der Tod von Altmaier berührt? Nein? Warum nicht?
Ich fühle mich ertappt. Du hast Recht, sage ich. Altmeier war nur eine arme Sau. Wahrscheinlich dachte der Idiot, so handelt ein Dom. Meine Sympathien liegen bei der Mörderin.
Ein Unfall, widerspricht Britta. Altmeier hat Grenzen überschritten. Grenzen sind gesetzt. Die Grenze an sich ist nicht interessant. Spannend wird es bei Grenzüberschreitungen. Genau da liegt der Reiz. Altmaier hat versucht, mit Grenzüberschreitung Abhängigkeit zu schaffen. Er hat dabei die Einvernehmlichkeit vergessen.
Jetzt ist er tot, ergänze ich.
Ja, sagt Britta und schaut betroffen. Altmeier war ein Erpresser. Emotional hilflos. Aber der Mann hat nichts mit uns zu tun.
Da bin ich froh, sage ich. Ich habe ja keine Ahnung von Frauen. Und du überfährst mich nicht, oder?
Sie lacht. Darüber muss ich noch nachdenken, sagt sie.
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