Die Schneekönigin
Eine BDSM-Geschichte von Treibholz
Ein riesiger Garten mit hundertjährigen Tannen. Die drei Meter hohe Ligusterhecke schützt mich vor dem Blick neugieriger Passanten, falls sich jemand in diese Gegend verirren sollte. Mein Idyll befindet sich am Rand des Dorfes, das nächste Haus liegt eine Meile entfernt. Dahinter beginnen die Sümpfe, ein Naturschutzgebiet, in dem Frösche quaken und Grillen zirpen. Hier steht mein Wohnwagen, geschützt vor allem, was im Rest der Welt passiert. Man könnte kaum zurückgezogener leben. Ein friedlicher Traum zu fast jeder Jahreszeit, nur mit dem Winter konnte ich mich nie anfreunden. Es würde Unsummen verschlingen, diesen Wohnwagen zu beheizen.
Daher trage ich zu dieser Jahreszeit mehrere T-Shirts übereinander und zwei Pullover darüber. Was ich in dieser Zeit vor allem vermisse, ist das Quaken und das Zirpen. Die Totenstille macht mir zu schaffen. Besonders in den Rauhnächten, der dunkelsten Zeit des Jahres, in der mein Anwesen selbst tagsüber im Dunklen liegt. Zwölf Tage der Finsternis. Die Zeit, in der man in depressiver Stimmung daheim in der Kälte sitzt. Man sagt, in diesen Nächten würde sich das Portal öffnen und das Reich der Toten würde sich mit dem der Lebenden verbinden, Geister aus den Sümpfen steigen und ruhelos umherirrten. An solche Ammenmärchen glaubte ich nicht. Ich empfand die dunkle Zeit einfach als ungemütlich. Schlau waren unsere Vorväter, die sich das Weihnachtsfest ausgedacht haben. Ein Fest der Liebe, das die Düsternis vertreiben sollte. Oder Dämonen, die im Dunklen lauerten und herauskamen, man schlief. Nein, ich glaubte solche Geschichten nicht. So wenig wie ich an den Weihnachtsmann glaube.
Ich hatte es mir weihnachtlich gemütlich gemacht und eine der Tannen geschnitten, die in meinem Garten wie Unkraut wuchsen. Vier Kerzen hatte ich angebracht. Seit dem ersten Advent stand sie da, doch hatte ich nicht den Mut gehabt, die Lichter zu entzünden. Es wäre leichtsinnig gewesen in so einem Wohnwagen. Die Kerzen hätten herabfallen oder herunterbrennen können. Keiner hätte bemerkt, wenn es hier brennt. Wochen später erst würde es jemandem auffallen. Statt den Kerzen spendete nun die rußgeschwärzte Petroleumlampe ihr trübes Licht.
Da der Weihnachtsmann niemals käme, musste ich mich um meine Geschenke selbst kümmern. Die Sachen, an denen mein Herz hing, hatte ich in Schachteln verpackt und in Geschenkpapier gewickelt. Jeder schenkt sich selbst etwas zu diesem Fest, Kinder ausgenommen. Meine Geschenke waren in drei Pakete verpackt. Im ersten befand sich das Jahrbuch aus der Schulzeit mit meiner großen Liebe. Immer, wenn es mir besonders schlecht geht, schlage ich diese Seite auf, auf der sie auf einem Gruppenfoto verewigt ist. Wenn ich ihr Bild betrachte, empfinde ich Freude. Das zweite war ein glänzend schwarzer Quarzstein, den ich damals am Strand gefunden habe. Immer, wenn ich ihn in der Hand halte, denke ich an diesen wunderschönen Urlaub in meiner Kindheit zurück. Im dritten und letzten Paket befand sich die Büroklammer, mit der meine Entlassungsunterlagen zusammengeheftet waren. Die Sekretärin hatte sie mir ausgehändigt. Eine Traumfrau. Diese Klammer hatte sie berührt. Ich halte sie oft an die Lippen und stelle mir dabei vor, dass ich diese Frau küsse. Erinnerungen sind wertvoller als Gold.
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