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Die Tarnkappe

Eine BDSM-Geschichte von high time.

Vorlesen

 

1

„Ich kenne deinen Dämon.“

„Ich auch. Er ist mein Bruder geworden. Mein Freund. Mein Feind. Manchmal wird er Ich und dann weiß ich, dass ich ihn ermorden muss.“

Sie lachte. Die Hexe lachte, schüttelte sich, die strähnigen Haare flogen ihr um den Kopf, verdeckten ihr Gesicht. Sie strich sie nicht weg, als sie weitersprach.

„Das ist gar nicht so falsch. Aber der Dämon ist unsterblich. Nur seine Macht über dich müssen wir kleinkriegen. Wie, wissen wir noch nicht.“

 

Sie saß mir gegenüber. In meinem Alter. Aber da war ich mir nicht sicher. Ihre grauen Haare hatten das einstige Blond versilbert. Keine wahrnehmbare Schminke, alterslos alt. Nicht wie ich. Aber sie hatte ja auch keinen jüngeren Feind, den sie bekämpfen musste. Oder doch? Was wusste ich schon! „Psychotherapeutin. Keine Kassen“, stand auf dem Schild neben der Tür. Als ich sie sah, wollte ich umdrehen und gehen. Die bohrenden Augen! Die Stimme. Heiser, schrill. Fürchterlich. Stimmen waren mir wichtig. Ihre schreckte mich ab und zog mich gleichzeitig an. Sog mich ein.

Der Händedruck lasch, als sie zur Begrüßung ihre Hand in meine gelegt hatte, als wollte sie nur meinen Druck spüren, mir ihren nicht geben. Kraftlos, zerbrechlich, aber ich ahnte da bereits meinen Irrtum.

„Ich nehme Erfolgshonorar!“, war ihre Antwort auf meine Frage nach der Bezahlung. Dann das schüttelnde Gelächter, bei dem sie ganz allein und bei sich war, so als lachte sie die Welt aus.

 

„Bleib hier bei mir!“, sagte sie lächelnd. Natürlich hatte sie mein Erinnern, das Sich-Davonstehlen meiner Gedanken an den Anfang unserer Begegnung bemerkt.

„Dein Dämon heißt Eifersucht. Trifft es das?“

„Nur teilweise. Ich bin dominant.“

Ich beobachtete sie gespannt. Nun war es gesagt, das Unwort. Das Wort, das meiner Überzeugung nach alles erklärte für jemanden, der verstand, der etwas wusste über BDSM-Beziehungen, für den Dominante und Submissive kein exotischer Menschenschlag waren.

Wie würde sie antworten? Würde sie von gesellschaftlichen Normen sprechen, von männlichem gockelhaftem Rollenverhalten?

Sie tat es nicht.

„Ich verstehe deine Neigung. Du willst die Ausschließlichkeit, das Gefühl, zu besitzen, brauchst es, um dich fallen zu lassen in dein Begehren. Teilen ist in deinem Programm nicht vorgesehen.“

„Ja, genau.“

Ich war verblüfft. Eine bessere Antwort brachte ich nicht zustande. War ich gläsern für sie?

„Wir Menschlein haben dunkle Seiten. Aber wenn wir sie mal leben, werden sie wie die anderen, die hellen. Sind den gleichen Gesetzen unterworfen. Macht und Ohnmacht wohnen so dicht beieinander.“

Ich verstand nichts und alles.

„Worin unterscheidet sich dein Gefühl von Eifersucht? Erklär es mir mit deinen Worten!“

Ich dachte nach. Klar, so ganz fern lag die Eifersucht nicht. Sie war ein Verwandter. Aber nicht ersten Grades.

„Sie sagt, dass sie ganz bei mir ist, wenn sie bei mir ist. Dass sie mir gehört. Dass sie es so fühlt. “

„Und stimmt das nicht?“

„Für sie stimmt es. Für mich ist es eine Lüge.“

„Wahrheit und Lüge! Du kriegst das eine nicht ohne das andere.“

Darüber hätte ich länger nachdenken müssen, aber sie ließ mich nicht.

„Warum ist es für dich eine Lüge, dass sie dir gehört? Spürst du die Anwesenheit des anderen? Hat sie ihn in den Augen? Oder vielleicht in ihrer Grotte?“

Sie kicherte vor sich hin, griff über den Tisch, packte meine Hand und nun hatte sie Kraft darin. Ich konnte ihr meine nicht entwinden.

„Also, warum lügt sie?“

„Ich habe gesagt, dass es eine Lüge ist, nicht dass sie lügt. Das ist etwas ganz anderes. Sie führt ein Doppelleben. Hat sogar Namen für die beiden Welten, in denen sie zuhause ist. In einer wohnt er, in der anderen ich. Sie gehört dem, der gerade da ist. In dessen Welt sie sich gerade aufhält.“

Sie sah mir ruhig in die Augen. Verstehend. Sie nickte sogar.

„Und das darf sie nicht? Es reicht dir nicht, dass sie bei dir ist, wenn sie bei dir ist?“

„Nein, das genügt mir nicht. Ich weiß, dass sie es so empfindet. Dass sie nur mir gehört. Aber es ist ein Gefühl, das verschwindet, wenn sie nicht mit mir zusammen ist. Wenn sie bei ihm ist. Dann schenkt sie ihm ihre Devotion, ihre Hingabe. Dann wieder mir. Beides wahrhaftig. So ist sie. Sie hält nichts zurück, verschenkt sich. Sie kann gar nicht anders. Sie ist eine Switcherin, die nicht ihre Neigung wechselt, aber die Beschenkten.“

„Und sie erzählt dir, dass sie es auf unterschiedliche Weise tut? Unterschiedliche Empfindungen hat? Bei ihm anders fühlt, als bei dir. Dass ihre Hingabe an ihn anders ist als die, die sie dir schenkt.“

„Ja das sagt sie. Und ich glaube ihr.“

„Wo ist dann die Lüge?“

„Die Lüge ist, dass sie nur eine ist, nicht zwei. Dass sie in einer Welt zwei Männern gestattet, über sie zu verfügen. Die zwei Welten sind eine Konstruktion. Es gibt sie nicht. Zumindest für mich nicht. Da gibt es nur die eine. Sie wechselt nicht die Welten, sie wechselt die Männer. Er darf, was ich darf. Er darf sie ficken, er darf ihr wehtun. Er darf seine Lust, sein Wollen, sein Begehren an ihr ausleben. Wie er will. Und sie genießt es. Genießt ihn, seine Lust, seine Kraft. Gibt sich hin. Lässt sich von den Schmerzen überfluten, die er ihr antut.“

„Ich verstehe.“  Sie lehnte sich zurück in ihrem Sessel. Schlug die Beine übereinander.

„Was nimmt dir das weg? Nimmt dir das überhaupt etwas weg? Gibt es denn etwas, das du nicht tun darfst? Darfst du nicht auch all das tun, was er darf?“

Ich musste nicht nachdenken. Die Frage war leicht zu beantworten.

„Ich darf. Ich dürfte. Aber ich kann nicht.“

„Warum kannst du nicht?“

Und nun stiegen Tränen in mir hoch. Ich zwinkerte sie weg. Es war noch kein Fluss. Ich konnte es kontrollieren. Sie waren nur feuchte Begleitung eines Aufschreis. Wollte sie das? Wollte sie mir diesen Aufschrei entringen?

„Weil sie mir nicht gehört. Weil es eine Lüge ist. Weil alles eine Lüge ist. Das was ich fühle, ist falsch.“

„Und in diese Lüge kannst du dich nicht fallen lassen. Kannst deiner Lust nicht freien Lauf lassen. Je näher sie dir kommt, je mehr sie sich dir hingibt, desto tiefer fällst du. Ist es so?“

Ja, genau so war es.

„Gib deinem Schmerz ein Gesicht! Mach ihn real! Mach ihn echt! Und dann schau, ob du ihn aushältst! Dann kannst du entscheiden. Du entscheidest, nicht der Dämon. Ich zähle jetzt langsam von zehn zurück. Schließ deine Augen! Wenn ich bei Null bin, nimmst du diese Tarnkappe und gehst zu ihr. Sie führt dich auch durch geschlossene Türen. Du musst nicht klingeln.“

Das Lachen jetzt war fast herzlich. Fast ansteckend. Fast hätte ich mitgelacht. Aber nur fast. Vor mir auf dem Tisch lag eine Bademütze. Eine dieser provisorischen Plastikhauben, wie man sie im öffentlichen Bad erhält, wenn man die eigene vergessen hat. Hellblau.

„Schau einfach zu!“

„Ist das so etwas wie eine Konfrontationstherapie? Man lässt Spinnen über den Arm krabbeln.“

„Nicht ganz“. Jetzt blickte sie mir ernst in die Augen. „Dann würde ich dir ein Instrumentarium mitgeben. Ich hätte es mit dir vorbereitet. Durch Übungen, durch Imagination.“

„Und warum haben wir das nicht gemacht?“

„Weil es nichts gibt, wovon du geheilt werden musst. Du bist nicht krank. Weil Du sehen sollst. Spüren. Du selbst sein. Ohne Verdrängung, ohne Illusionen. Betrachte! Fühle! Entscheide! Sei frei!“

Sie richtete sich auf.

Zehn, neun ...

Ich schloss die Augen.

 

2

Das Sehen mit der Tarnkappe ist anders. Ich nehme alles wahr. Auch das in den anderen. Kann mitfühlen, was sie fühlen. In ihm ist jetzt Lust, Vorfreude. Wissen, dass sie kommen wird. Dass sie ihm das geben wird, was er haben will. Gleich.

Er hat sich ausgezogen. Ich betrachte seinen Körper. Ich kann verstehen, dass sie ihn mag. Ein kleines Bäuchlein vom guten Essen. Aber fest, sportlich. Ich will nicht an meinen denken. Jetzt ist nicht die Zeit für gute Vorsätze.

Er geht ins Schlafzimmer. Legt sich aufs Bett. Deckt sich nicht zu.

„Kommst du!“

„Gleich, Schatz“, höre ich aus dem Badezimmer. Sie braucht noch ein wenig. Er lächelt.

Nun kommt sie. Nackt wie er. Ihr Körper ist mir vertraut. Sie huscht ins Schlafzimmer, öffnet eine Schublade, entnimmt ihr eine Gerte, reicht sie ihm. Kuschelt sich an. Ganz nah, ganz eng, ganz liebevoll.

Jetzt wird die Geschichte heiß!

Natürlich ist die Geschichte nicht an dieser Stelle zuende. Im Gegenteil: Ab hier geht es zur Sache. Darum dürfen wir dir die weitere Handlung im Moment nicht frei zugänglich machen. Wir bitten dich um Verständnis, dass wir den Jugendschutz ernst nehmen.

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Deine Meinung

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Kommentare von Leserinnen und Lesern

Leo Me

Autorin.

13.07.2023 um 03:16 Uhr

Ich bin sprachlos.

 

Wieder und wieder lese ich einzelne Abschnitte und kann es nicht fassen. Mit meiner Tarnkappe stehe ich mitten im Geschehen und lese meine Gedanken. Ich hätte sie nicht treffender zu Papier bringen können.

 

Für mich wirklich beeindruckend umgesetzt. Danke!

04.07.2023 um 20:20 Uhr

Mal was anderes. Gefällt mir. 😊

high time

Autor.

27.06.2023 um 20:51 Uhr

Lieber @Gregor, vielen Dank für deinen wohlwollenden Kommentar. Ja, die Therapeutin haut da so einiges raus, aber sie ist ja auch eine Hexe.

„Heller werden“ und „im Licht stehen“. Du hast recht. Unpräzise! Unsere „finsteren Neigungen“ werden heller, wenn wir sie leben. Allein dadurch, dass wir sie befreien oder brauchen sie einfach Sonnenlicht? Ich habe die Antwort nicht.

Und Wahrheit und Lüge? „Ich gehöre dir!“ Ein Ausruf in einer Gefühlswallung. Wahr, ehrlich, genauso gefühlt. Und was sagt es dem anderen? Er impliziert, dass, was einem gehört, keinem anderen gehören kann. Völlig zu Unrecht. So war es nicht gemeint. Sie gehört dem, dem sie gehören will und kann. Der ihr genau dieses Gefühl verschafft. Gleiches gilt für jedes „Ich liebe dich“. Für den einen ein Satz,  von einem überwältigenden Gefühl aus dem Mund getrieben. Für den anderen ein Versprechen. Das geht oft in die Hose.

Du nennst den Text ein Moralstück. Ich hätte das nicht getan. Aber ja, so kann man es durchaus sehen. Nur bieten Moralstücke oft eine Antwort, die eben diesen Anspruch auf Wahrheit  stellen. Das tut die Geschichte nicht. Sie gibt nicht viele Antworten. Nur der Protagonist, der findet die seine.

Ich habe mich sehr gefreut über deine Zeilen.

Gregor

Autor.

27.06.2023 um 19:59 Uhr

Die Psychotherapeutin als Hexe gefällt mir in ihrer authentischen Art. Keine Kassen ist ein ehrlicher Ansatz. Noch besser ist Erfolgshonorar. So etwas hätte ich gern in allen Lebensbereichen. Ich denke, die Welt wäre besser, wenn jeder so arbeitet. Wobei die Therapeutin Thesen raushaut, die ich länger durchdenken muss. Ist es so, dass dunkle Seiten heller werden, wenn man sie auslebt? Ich denke, sie stehen dann lediglich im Licht.

Wieso bekomme ich keine Wahrheit ohne Lüge?

Die Tarnkappe der Hexe ist gute Medizin, bietet ihm die Möglichkeit, nicht nur das Andere, sondern sich selbst zu lesen.

ich habe ein Moralstück über Anspruch, Besitz und Dominanz, Eitelkeit und Eifersucht gelesen. Deine Geschichte gibt mögliche Antworten, gute Antworten.

kehinn

Autor.

22.06.2023 um 19:47 Uhr

Das ist sicherlich nicht für jeden mit diesen Dämonen...

Sisa

Autorin. Förderer.

07.06.2023 um 11:28 Uhr

high time

ja, das habe ich schon verstanden -)

aber ich muss gestehen, eine weile war ich gedanklich auf dem trichter, es ginge um zwei seiten seiner eigenen persönlichkeit. dass er quasi mit sich selbst gehadert hat. einmal als ehemann, einmal als dom.

und sozusagen auf sich selbst eifersüchtig war - in dem gefühl, sie würde den mann mehr lieben als den dom und ihm etwas wegnehmen.

ich denke hin und wieder gerne mal um die ecke 

high time

Autor.

06.06.2023 um 16:02 Uhr

Liebe @Sisa, @Gasandra, @Meister Y, @Noras Marie, @Hexlein, ich freu mich, dass ihr euch in diese Geschichte hineingelesen habt. Es sind ja nicht in allererster Linie BDSM-Geschichten, die ich scheibe. Sex und Sessions und die Gefühle dabei beschreiben...das können andere besser. Da habe ich schon Wunderbares gelesen. Ich spinne lieber erstmal Geschichten, manchmal auch skurrile und seltsame. Und mich inspirieren die Schattenseiten meist mehr als "Happy BDSM". Das kann ich nicht so gut. Zu lesen, dass ihr bei dieser etwas verdrehten Handlung mitgegangen sein, mitgedacht habt, teilweise an selbst Erlebtes andocken konntet, das macht mich wirklich froh. Das ist das, was ich mit dieser Geschichte wollte.

Vielen Dank für eure Kommentare! Und @Sisa...am Ende ist nicht seine Liebe erkaltet. Aber er zieht sich zurück aus der erotischen Dreiecksbeziehung. Er kann nicht teilen. Er will sie nicht leben.

Sisa

Autorin. Förderer.

06.06.2023 um 12:40 Uhr

diese geschichte hat mich gefesselt beim lesen. aber ich muss zugeben, das ende verstehe ich nicht ganz. vielleicht verstehe ich auch den sinn nicht, gut möglich.

und trotzdem gefällt sie mir. merkwürdig irgendwie - aber auf eine gute weise!

Noras Marie

Profil unsichtbar.

05.06.2023 um 23:36 Uhr

Das ist eine seltsame Geschichte. So traurig sie anmutet, so froh lässt sie mich doch zurück. Froh, meine Donna zu haben, froh kein Mann sein zu müssen, froh treu sein zu können und froh zuhause zu sein.

Danke schön.

hexlein

Autorin.

05.06.2023 um 15:41 Uhr

Vielen Dank high time für diesen Gedankenanstoss. Für mich zwar keine Option, aber sich so in jemanden hineinzuversetzen, der damit kämpft, das ist Dir hervorragend gelungen.

 

Berücksichtigt wurden nur die letzten Kommentare.

Zu allen Beiträgen im Forum zu dieser Veröffentlichung.

 

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