Er hatte unruhig geschlafen diese Nacht. Es war ungewohnt, allein im Bett zu liegen, aber sie musste an dieser Schulung ihrer Firma teilnehmen und würde erst in zwei Tagen wieder zurückkommen. Auch als Rentner war er kein Langschläfer geworden, stand jeden Morgen mit ihr auf und bereitete Frühstück, während sie sich fertigmachte. Trug ihre Sachen zu ihrem Auto, winkte ihr nach. Zwölf Jahre war sie jünger als er: Das dauerte noch, bis sie beide die Wochentage zusammen verbringen konnten.
Als der Projektionswecker vierundzwanzig vor sieben an die Decke warf, streckte er sich noch einmal und wälzte sich dann aus dem Bett. Der kleine Hund, den er sich als seinen Personal Trainer zugelegt hatte, als er in Rente ging, reagierte noch gar nicht, wusste, dass es noch dauerte, bis es hinaus ging.
Beim Frühstück klappte er seinen Laptop hoch und öffnete seine Mails: Das Übliche löschte er der Reihe nach weg, Weinangebot, Herrenmode zwanzig Prozent nur noch heute, Münzschnäppchen, eine Phishingmail, Kredit ohne Schufa, Lottomillionen - halt: Schattenzeilen. So viele Jahre hatte er diese Seite geklickt, auf der es Texte aus dem Bereich SM gab, hatte nicht nur gelesen, hatte auch selbst etliche geschrieben und eingesandt, die auch angenommen wurden. In letzter Zeit war sein Interesse daran etwas abgeflacht. Ein Wort in dieser Mail zupfte dennoch eine Saite in ihm an: Schreibwettbewerb. Thema: 24/7!
Er schlurfte erst einmal ins Bad. Als er die Jeans aufgeknöpft hatte, fluchte er über die Sitzpinklerunterhose ohne Schlitz, die er versehentlich im Internet bestellt hatte. Zurück im Wohnzimmer fand er, dass der PC inzwischen abgeschaltet hatte. Also erst Spaziergang mit dem Hund. Unterwegs gingen ihm verschiedene Möglichkeiten durch den Kopf, einer Geschichte Handlung zu verleihen. Aber dann fragte er sich wieder, ob er überhaupt noch einmal zu so einem Thema schreiben sollte. Das Schreiben reizte ihn schon, aber das Thema hatte einfach nicht mehr die Zugkraft für ihn wie all die Jahre zuvor.
Er hatte mit ihr viele Jahre in so einer 24/7-Partnerschaft gelebt. Schließlich hatte er sie über einen einschlägigen Chatroom kennengelernt. Und, ja doch, es war prickelnd gewesen, hatte das Leben ungemein bereichert, erotisiert, spannend gemacht. Aber in den letzten zwei Jahren war diese andauernde Erregung ganz langsam verblasst, das Gebäude, das sie da um sich herum aufgebaut hatten, war nicht mehr tragfähig, bröckelte, stand noch, aber wurde zusehends unbewohnbarer. Und dennoch ...
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