Zweite Reise
Eine BDSM-Geschichte von poet
Diese Geschichte nahm teil am Schreibwettbewerb "Unterwegs". (Link).
Ich bin jetzt gute siebzig. Habe zwei künstliche Kniegelenke, mit Knien ist da nicht mehr viel los. Manchmal juckt es mich noch, sehe mich vor ihr knien, ihre Füße massieren - aber nur im Kopf. Komme gleich wieder in die Realität meines Krückstocks zurück.
Vorbei. Am Ende angekommen in dem Lebensabschnitt, in dem zunehmend ein superber Whisky, ein exzellenter Rotwein zum Ersatz werden. Ein wenig traurig, aber doch reich an all den Bildern, die mir bleiben, der Fülle an Emotionen, der Geborgenheit in all den wilden Tagen.
Es fing alles ja ganz anders an.
Ich hatte gerade meinen Cappuccino ausgetrunken und mir den Schaum aus dem Schnurrbart gewischt, als sie endlich um die Ecke der Garderobe bog. Ich erhob mich, half ihr aus dem Mantel. Sah ihr kurzes, schwarzes Kleid, die schlanken Beine, schön geschwungene unbedeckte Schultern, die dunklen Haare, die über einem langen Hals nach oben gesteckt waren zu einer kecken, ausfedernden Frisur. Dann, als wir uns gesetzt hatten, ihr Gesicht aus der Nähe, das erste Mal. Gut, sie hatte ihren Emails ein paar Fotos angehängt, aber Fotos sind zweidimensional und unehrlich.
Sie war schön.
Schön? Sie war hinreißend! Ein zartes Gesicht, zwei Rehaugen unter sorgfältig gezupften Brauenbögen, eine kleine, freche, leicht stupsige Nase. Wenn sie sprach, blitzten weiße Zähne zwischen dezent geschminkten Lippen. Sie war vierzig damals, gut zehn Jahre jünger als ich. Und wie ich hatte sie ihr Bündel an Erfahrungen mitgebracht, aber man sah sie ihr nicht an, sie wirkte viel jünger. Wenn sie erzählte - aber sie hörte mehr zu - legte sie den Kopf leicht schräg und ihre Augen sahen dann auf den Tisch, als würde sie sich schämen für das, was sie berichtete. Aber wenn sie zuhörte, glitzerten mich ihre Pupillen konzentriert an, als könnte sie in meinem Gesicht lesen, ob das, was ich sagte, auch der Wahrheit entsprach.
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