Rezension: „Nachschlag“ von Antje Ippensen
Ein heißes Cover. Ästhetisch. Das ist mein erster Eindruck, wenn ich dieses Buch von Antje Ippensen in den Händen halte. Auch die Inhaltsangabe auf dem Buchrücken passt dazu, und ich erwarte ein paar Lesestunden mit spannender, erotisch knisternder Unterhaltung auf rund 150 Seiten. Was aber erwartet mich?
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() Ein heißes Cover. Ästhetisch. Das ist mein erster Eindruck, wenn ich »Nachschlag« von Antje Ippensen in den Händen halte. Auch die Inhaltsangabe auf dem Buchrücken passt dazu, und ich erwarte ein paar Lesestunden mit spannender, erotisch knisternder Unterhaltung auf rund 150 Seiten. Was aber erwartet mich?
Schnell und eindeutig geht es zur Sache zwischen Lea und ihrem Ex(?)-Dom Armand. Und alles andere als zimperlich geht er mit ihr um. Bald denke ich, dass es schon ein bisschen mehr Handlung um diese Session herum sein dürfte, und tauche dennoch neugierig weiter ein in das Spiel zwischen den beiden. Ein Verhörspiel. Wirklich ein Spiel? Oder doch ein Verhör?
Anfänglich bin ich verwirrt darüber, so unvermittelt in das Geschehen zu blicken. Hinzu kommen Zweifel an der Einvernehmlichkeit zwischen Armand und Lea über das, was er mit ihr anstellt. Aber ich bin und bleibe neugierig, und kurz bevor ich resignieren möchte, weil ich mich in einer ausschließlichen Sessionbeschreibung wähne, katapultiert mich Antje Ippensen in die Vorgeschichte und das Mehr an Handlung hinein.
Nicht nur in die eines SM-Paares, sondern vor allem in die Lebensgeschichte von Lea. Ich befinde mich rasch in einer Kindheit und Jugend, die ich so niemandem wünsche. Lebenserfahrungen, die eines Tages in ein Ereignis münden, das den Weg von Lea sich wieder mit dem des LKA-Beamten Armand kreuzen lässt, deren Beziehung zerbrochen war. Er ist nun Ermittler, nicht Dom. Er will nicht Leas Unterwerfung, und der Schmerz ist nicht Lust, sondern Mittel zur Wahrheitsfindung.
Oder verschwimmen diese Grenzen, während andere Grenzen gesprengt werden?
Auch zwischen der Kindheit und der Begegnung mit Armand spielt das Leben Lea nicht immer gut zu, das komplizierte Verhältnis zu ihrer Mutter bleibt bestimmend.
Einfache Kost ist »Nachschlag« nicht, inhaltlich nicht, aber auch Aufbau und Stil verlangen mir etwas ab.
An der einen oder anderen Stelle fällt es mir schwer, die verschiedenen Ebenen auseinander zu halten. Nicht immer sind die Wechsel für mich auf Anhieb erkennbar. Wobei ich zunehmend vermute, dass das von der Autorin beabsichtigt ist.
Antje Ippensens Stil ist eigenwillig. Worte, Sätze in Großbuchstaben, für mich willkürlich. Ebenso Auslassungspunkte, von denen ich nie weiß, ob sie nicht die Hilflosigkeit eines Schreibenden ausdrücken, die richtigen Worte für das zu finden, was er sagen will. Damit tue ich mich schwer.
Entschädigt werde ich mit hinreißenden Formulierungen, zum Beispiel wenn Leas Grau sich unter Armands kundigen Händen in flüssiges Silber verwandelt. Das ist großartig.
Überhaupt Farben. Wie in der hier von der Autorin zuletzt veröffentlichten Geschichte »Seltener Edelstein« bekommen Farben und besondere Farbassoziationen in »Nachschlag« einen ganz besonderen Auftritt. Das finde ich gewagt und es gefällt mir sehr gut.
Gewagt ist in meinen Augen auch die Verbindung, die Antje Ippensen zwischen traumatisch-schmerzhaften Erfahrungen in der Kindheit und Sado-Masochismus wenigstens andeutet, wenn nicht herstellt. Hier berührt sie mit ihrem Roman eine Frage, die viele BDSM-ler sich schon einmal gestellt haben mögen. Hier hätte ich mir zwar keine Antwort erwartet, die es pauschal ohnehin nicht geben dürfte, aber ein wenig mehr Tiefgang.
Die genannte Verbindung macht es mir schwer, das Buch sexy zu finden. »Nachschlag« ist in meinen Augen kein erotischer Roman, sondern eine (Lebens-)Geschichte mit einer besonderen erotischen Komponente.
In der Inhaltsangabe des ELYSION-Verlages wird gefragt, ob der Plan, den Armand verfolgt, als er wieder in Leas Leben eintritt, ein unheilvoller ist. Die Antwort auf diese Frage, die sich für mich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Dazu muss das Buch gelesen werden.
An dessen Ende stoße ich auf eine Leseprobe aus »Bittersüß« von der gleichen Autorin, das ich sicher auch lesen werde, denn ich bin schon sehr gespannt auf ihre humorvolle Seite. Dass Antje Ippensen ernsthaft schreiben kann und die Augen nicht vor den dunklen Seiten des Lebens verschließt, hat sie mit »Nachschlag« bewiesen.
Broschiert: 192 Seiten
Verlag: Elysion-Books (03. Juli 2012)
Autorin: Antje Ippensen