Was bei »Schreibregeln« leicht vergessen wird, ist die Beachtung der Gesamtwirkung eines Textes. Ausschmückung oder nicht, ist nicht die Frage, Tek. Es gibt keinen absoluten Stil, sondern nur passenden und unpassenden.
Ein Text, der aus der Sicht einer 15-jährigen Drogenabhängigen geschrieben ist, wird sich sprachlich an sie anpassen. Und dann ist die Frage nach vielen oder wenigen Adjektiven vom Tisch. Das Mädchen bestimmt dann, was und wie auszuschmücken ist.
Dann gibt es noch die Logik. Und hier macht das »show, don´t tell« endlich mal Sinn. Ein aus einer Ich-Perspektive geschriebener Text kann halt nicht Gefühle im Gegenüber »wissen«, sondern nur behaupten. Das wirkt schal. Hier sind dann sind die Augen und Ohren des Wahrnehmenden im Text der einzige Zugang zu den Inhalten im Kopf anderer Menschen. Zu sagen: »Er ist traurig« ist in diesem Fall ein Logikfehler. Richtig wären Beobachtungen: »Er zieht eine Flunsch«, oder »Er hat sich in sein Zimmer verkrochen und öffnet nicht, wenn ich klopfe«, oder »Seine Augen werden wässrig und die Unterlippe zuckt«. Das ist das Zeigen.
Nur ein allwissender Erzähler weiß um die Vorgänge in den Köpfen. Wenn im Text eine Borderlinerin zu Wort kommt, darf diese natürlich behaupten, was sie will. Das wäre stilistisch wieder stimmig zu ihrer Art Beziehungsführung.
Der allwissende Erzähler (eine Unperson) ist etwas aus der Mode gekommen.
Sehgewohnheiten prägen zudem die Schreib- und Lesegewohnheiten. Bis vor 150 Jahren wirkte eine 16-seitige Landschaftsbeschreibung interessant, weil kaum jemand reiste. Lesen war das Fenster zur Welt. Das hat sich gewandelt, und so ist heute anders zu überlegen, was ausgeschmückt wird. Da reichen häufiger knappe Trigger, um das Gewünschte auszulösen.
Wem mir als Leser alle Parfüm-Werbungen und Blockbuster-Filme geläufig sind, ist mir schwerlich eine galant aus dem Wagen steigenden Frau.mit Ausschmückungen interessant zu versinnlichen. Da reichen wohl einige wenige Hinweisreize, um die Phantasie im Kopf bei mir ins Rollen zu bringen. Mehr als nötig bremst oder wird hinderlich. Ich glaub, nur das Besondere, Charakteristische ist auszuschmücken; und wenn es der Atmosphäre dient.
Was ist denn die Wirkung? Und auf wen?
Ich halte es mit Gregor. Für sich selbst schreiben heißt, eine Wirkung direkt verspüren. Ich bin mein erster Leser. Die Wirkung ist nicht einmal immer benennbar. Für professionelle Schreiber gelten sicher andere Maßstäbe.
Es gibt sie, die guten Romane. Susza Bank scheint viele Schreibregeln zu brechen, und doch sind es wundervoll wirksame Romane. »Der Distelfink« hat mir gefallen, dessen Stil konventionell ist und die Wirkung durch die Fülle an Inhalten entstehen lässt. Diese erforderten aber jahrelange Recherchearbeit der Autorin. Das ist nichts für jeden Schreiberling.
Das »Show, don´t tell« ist so eine Pop-Regel, die aus der Filmbranche stammt. Diese Ratgeber sind wie die aus der Finanzbranche, die einem die Geheimnisse versprechen, in zwei Wochen Millionär zu werden.
Dan Brown, Frank Schätzung und Konsorten, schreiben Drehbücher in Romanform. Dass sie Bestseller geworden sind, liegt nicht an ihrer Schreibkunst, sondern daran, dass sie immense Recherchearbeit oder Fachwissen mitbringen ueber das beschriebene Sachgebiet. Darum wirken ihre Texte. Das sind keine Stilfragen! Sie haben Ahnung von den Inhalten, die nicht jeder kennt. Dann überliest man, dass ihr Personal und ihr Stil flach bleiben. So was stellt man sich aber nicht ins Bücherregal.
Wenn ich mich selbst befrage, muss ich mir schnell eingestehen, dass es kein einziges Sachgebiet gibt, in dem ich einen Bestseller schreiben könnte, selbst, wenn ich der Stilpapst wäre. Nur weil ein Klavierspieler einen guten Anschlag hat, macht er deshalb noch keine gute Musik. Die machen andere sogar auf alten Ölfässern besser, indem sie draufhauen.
Es gibt einen Test, ob eine Textpassage gelungen ist oder nicht: das eigene Gefallen. Auch darauf darf man vertrauen, oder nicht?.