Schattenwölfin
Ich finde das Gelesene auch grenzwertig. Für mich verdichtet es sich letzten Endes in der Frage, inwieweit im BDSM Platz für Hass ist – hier ein Extra-Sternchen für den großartigen, weil treffenden Titel.
In dieser Diskussion vermischt sich manches und wird missverständlich. Man kann über einen Text reden, über Leserreaktionen oder über Genres. Auch über vermeintliche Absichten der Textautorin. Das sind Ansätze, die jedoch voneinander unterschieden werden müssen.
Zu den Genres:
Was in einem üblich ist, geht in einem anderen Genre nicht. Kein Krimileser legt beim ersten Delikt erbost sein Buch beiseite. In einem Thriller dürfen Hauptpersonen Psychopathen sein. In einer Romanze wird einvernehmlich, mustergültig und zur Nachahmung empfohlen angehimmelt.
BDSM-Texte haben noch keine Genre-Heimat. Aber auf den Schattenzeilen gibt es so etwas wie einen Genre-ähnlichen Korridor. Das hat vermutlich einen guten Grund.
Wir haben auch schon Sci-Fi auf den Schattenzeilen lesen dürfen. Natürlich gibt es dann vielleicht die eine oder andere Leser-Pappnase, die kritisiert, der Inhalt sei unrealistisch. Ist sein gutes Recht, dann hat er halt den falschen Text gelesen und soll nächstes Mal besser aufpassen.
Den Titel der vorliegenden Geschichte halte ich für das Schwächste am Text. a) Technisch, weil es ein Stilmittel der Fabel oder Moritat ist, die "Moral von der Geschicht" vorwegzunehmen. Da ist jede Chance auf Pointe oder eigene Lesarten am Startblock schon geplatzt. War ja früher mal für Leseunkundige gemacht.
b) Inhaltlich: Natürlich kann Hass überall sein. Besonders da, wo Verbundenheit und starke Gefühle vorhanden sind. Wo denn sonst? Davon ist die Sexualität erst recht nicht ausgenommen.
Zu den Leserreaktionen:
Die fallen sehr verschieden aus. Wenn ein Text diskussionsanregend wirkt, ist er entweder vielschichtig oder nicht ausgearbeitet. Schon der Kürze wegen kann er nicht vielschichtig sein, weil gar kein Platz ist, nachvollziehbare Personen zu zeichnen. Ich find die Ausgangskonstellation spannend, und wert ausgearbeitet zu sein. "Was, wenn ein Partner inzestuöse Missbrauchsinhalte (erlebt, phantasiert, gewünscht) in eine aktuelle Liebesbeziehung hinein trägt?" Ist zwar hanebüchen, aber kein unspannender Ausgangspunkt.
Zu den Absichten:
Wer so etwas ausarbeitete, führt BDSM-Neigungen nicht auf solcherart Vorleben zurück. Er behauptet einen Einzelfall.
Bsp.: Wenn in einem fiktionalen Text ein Augenoptiker einen Kunden abmurkst, ist das ja auch keine Attacke auf einen Berufsstand. Der Autor würde sich aber ebenso sagen lassen müssen: das hat mit Augenoptik nichts zu tun. Und dass er den Kunden damit von seiner Sehschwäche heilen wollte, ist dann auch nicht behauptet. Der Text würde weder in der Augenoptiker-Postille erscheinen noch in der forensischen Fachliteratur, sondern im Krimi-Regalfach stehen, wenn er gut geschrieben ist.