Bei einem Masken-Szeneball treffen zwei Masken aufeinander, die eine fordert, die andere will gefordert sein. Aus dem Tanz wird sehr schnell Realität, ein Tanz am Abgrund beginnt, der schließlich im Fallen der Masken endet.
Die Nebelmaschinen ließen Schwaden auf die Tanzfläche fließen. Im Dunst der weißen Wolken bewegten sich, nein, zuckten die schwarzen Lederleiber, die fast nackten Hüften über langen, bestrumpften Beinen, die in High Heels endeten, die Overknee-Stiefel, die Lackhosen. Hier stampfte die Szene.
Die Klänge von »Queen of Pain« heizten die Tanzenden an.
Über dem wabernden Gewölke schwebten die Masken in ihrem aggressiven Tanz, einfache schwarze Larven, fantasievolle bunte Paradiesvögel, makabre Totengesichter, herausfordernde Konfrontationen und spöttisches Abblitzen, auffordernde Gesten und neckische Flucht, starre Befehle und fliehende Angst - nur im Rhythmus des Schlagzeugers vereint. Dazwischen Halsbänder, Ketten, Handschellen, Armmanschetten. Der unwirkliche Rausch wirbelte durch den Nebel wie ein Geistertanz aufgeheizter Leidenschaften. Die Anonymität der Masken erhitzte die Gier des Wissenwollens.
Den Text des Songs sangen viele mit, kannten alle Zeilen ...
Mitten im Aufruhr all dieses Hexensabbats griff ein schwarzweißes Skelett nach dem Handgelenk eines lachend-weinenden Harlekins. Seltsamerweise drang der zischende Befehl durch das raumfüllende Saxophongeschmetter der Band:
»Dich will ich!«
Nur kurz wand sich der Harlekin, bis er sich ergab und dem Skelett von der Tanzfläche folgte. Wie ein unsichtbares Halsband mit Leine wirkte der Griff des Totentänzers, dessen Weg an der Bar vorbei durch einen Slalom an diskutierenden Gruppen zu einem freien Tisch in einer Ecke führte. Es bedurfte nur der Andeutung eines Drucks der schwarz behandschuhten Hand, die den Harlekin vor dem Stuhl, auf den die Knochenmaske sich setzte, auf die Knie sinken ließ. Ein Wink genügte, um eine der neckisch in Dienstmädchenkostümen gekleideten Bedienungen herbeieilen zu lassen. Als sie sah, wer da auf dem Stuhl saß, knickste sie tief und drehte nach einem beiläufigen Wink wortlos um. Es dauerte nur kurz, dann kam sie mit einem Cocktail zurück, in dem ein metallener Trinkhalm steckte. Den gezuckerten Rand des bauchigen Glases zierte eine aufgesteckte Orangenscheibe. Im Inneren der bläulichen Flüssigkeit türmten sich Eiswürfel. Sie knickste erneut und verschwand wieder. Wer hier bestens bekannt war, dessen Wünsche waren längst gespeichert.
Immer noch dröhnte das Schmerzenslied durch die Halle, durch die Köpfe.
Langsam kamen dumpf die Worte aus dem Totenschädel: »Wie nennst du dich, du Clown?«
Nur wenige Sekunden brauchte die wie durch einen Filter gelispelte Antwort: »Wie immer du willst!«
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Kommentare von Leserinnen und Lesern
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Gelöscht.
02.09.2024 um 13:46 Uhr
Die Geschichte ist sicher nicht tiefgründig, zumindest für meinen Geschmack. Trotzdem ist gerade der erste Teil etwas verstörend, als Wahrheiten ans Licht kommen, die sicher nicht jeder kennen soll und darf.
Das macht nachdenklich. Die Schläge, Drohungen, unverhohlenes Drängen, das alles hindert mich ein wenig in die Szene einzusteigen.
Ich mag die Art, wie die beiden miteinander sprechen. Das verlegene, unsichere des Mannes, aber auch das völlig Selbstüberschätzende der dominanten Seite, die damit fast wie eine Karikatur wirkt. Natürlich wird ein Klischee bedient, aber sicherlich ganz bewusst und damit hat es den Zweck dann auch erfüllt.
Eine spannende, anregende und nachdenklich machende Geschichte, bei der sich die Auflösung bezüglich der Identität der beteiligten Akteure für mich tatsächlich erst kurz vor ihrem Ende angedeutet hat. Sehr gut geschrieben und für mich gedanklich durchaus nachvollziehbar - Klischee hin oder her, welches auch immer.
du schriebst "Im Leben ist er ebenfalls Harlekin, bringt nichts auf die Reihe, versagt auf ganzer Linie und genau hier entspricht er dem leider häufig als Klischee anzutreffendem Bild des etwas dumpfbackigen Masochisten, den die taffe Domme unter ihre Fittiche nimmt und ihn zu seinem Glück führt.".
Ehrlich gesagt, in all meinen Jahren in der "Szene" habe ich eher das Gegenteil erlebt, nämlich männliche Menschen mit masochistischer Neigung, die ihr Leben sehr gut und sehr erfolgreich im Griff hatten und deren größeres Problem es war, eine Domme zu finden, die tatsächlich ihrerseits im Leben außerhalb des BDSM taff und erfolgreich ist UND mit der es harmoniert. Aber, auch diese Art von Frauen habe ich kennenlernen dürfen, es gibt sie also ;).
Zum eigenen Glück geführt werden - so im echten Leben da "draussen" - kann man sich, meiner Meinung nach, sowieso nur selbst.
Ich gratuliere dir zum zweiten Platz, poet Für mich hast du eine Romanze geschrieben. Deine Geschichte läuft ab wie ein Film. Harlekin und Skelett sind für mich gut ausgearbeitete Figuren im BDSM-Kontext. Die Romanze ist bestens ausgearbeitet, der Text führt mich ohne Stolperfallen sanft zur Pointe. Aus diesem Grund gibt es nichts, was fünf Sterne schmälert.
Eine Anmerkung habe ich.
Der Harlekin ist tatsächlich Harlekin, nicht nur in seiner Verkleidung. Im Leben ist er ebenfalls Harlekin, bringt nichts auf die Reihe, versagt auf ganzer Linie und genau hier entspricht er dem leider häufig als Klischee anzutreffendem Bild des etwas dumpfbackigen Masochisten, den die taffe Domme unter ihre Fittiche nimmt und ihn zu seinem Glück führt. Und genau hier frage ich mich: Was will die mit dem? Aber das frage ich mich manchmal auch bei meinen Geschichten. Die schreibtechnische Versuchung ist groß, aber letztlich ist es Wunschdenken.
deine Geschichte hat ein Bild in meinem Kopf gezeichnet, ich konnte das Szenario dirket vor mir sehen. Natürlich ist es ein bisschen riskant, jemanden blind zu folgen, den man nicht kennt, aber Angst ist ein tollen Aphrodisiakum, zumindest für mich, deshalb hab ich auch verstanden, warum der Harlekin das gewagt hat.
Ich fand die Situation, in der er sich befand, sehr anregend und ich hab die Geschichte sehr gerne gelesen. Auch wenn ich noramlerweise nicht auf malesub Geschichten stehe, hat mich diese in ihren Bann gezogen.
Deine bildhaften Beschreibungen, haben mich mit auf eine Reise durch deine Geschichte genommen, ich war wie gefangen darin. Mein Kopfkino lief auf Höchstleistung, die Spannung war greifbar. Der Spannungsbogen hat sich über die gesamte Geschichte erstreckt. Jedoch das Ende war dann doch sehr überraschend für mich. Dankeschön für diese schöne mystische Geschichte, die mir sehr gut gefallen hat.
Geschätzter poet, ich bin ehrlich, mit Malesub-Geschichten habe ich als dominanter Mann ab und an so meine Probleme, habe es schwer, mich auf sie einzulassen. Diesmal war das anders, weil Du es geschafft hast, mich von Beginn an mitzunehmen. Ich habe die dröhnenden Bässe gehört, die schwitzenden Leiber gerochen, die verschiedensten Masken gesehen.
Dann kam der Moment, kam die entscheidende Frage und auch diesen Augenblick hast Du gekonnt inszeniert.
Was dann passiert ist genau dieser Sprung ins kalte Wasser, ist genau der Moment, in dem sich Sub entscheidet, sich in die Hand eines dominanten Menschen begibt. Wie weit das gehen kann, zeigst Du auf, genau so, wie Du zeigst, bei wem die letzte Entscheidung liegt.
Danke für packende Nachmittagsunterhaltung und meinen Glückwunsch zum zweiten Platz!
Ich komme einfach nicht mit den malesub-Geschichten zurecht, weil sich die Männer da verhalten, wie es keine femalesub je tun würde. Das liegt aber an mir persönlich und ich will den Text darum nicht schlecht bewerten. Wie hortensie schon richtig geschrieben hat, ein feuchter Traum ist ein feuchter Traum, und wenns nicht meiner ist, dann ist es der eines anderen.
Ansonsten war die Geschichte schnell und unterhaltend gelesen, aber das Ende war irgendwie lang vorhersehbar, darum war es jetzt nicht sooo spannend.
"Was führt Männer dazu, zu knien (außer im katholischen Gottesdienst oder beim Fliesenlegen), sich stalken zu lassen, sich demütigen zu lassen, Sexverbote auferlegt zu bekommen …?"
Was führt Frauen dazu, zu knien (außer im katholischen Gottesdienst oder beim Scheuern des Bodens), sich kontrollieren zu lassen, sich demütigen zu lassen, Sexverbote auferlegt zu bekommen, sich schlagen zu lassen, sich Klammern an die Brustwarzen setzen zu lassen und noch vieles mehr... ?
Ich kann nur vermuten, was es bei anderen sein könnte, in meiner Welt nennt sich das BDSM.
Ein feuchter Traum ist ein feuchter Traum, egal wer ihn träumt. Nur die Nässe, die ist vielleicht eine andere ;).
für mich war das Spannung. Am Ende kommt ein Schuss ernüchternder Realismus ins Spiel; Rücksturz zur Erde als Happy-End nach dem Sirenen-Gesang? Einer wollt´s wissen und hat sich dazu am Mast festbinden lassen.
Dem Clubbesucher begegnet eine gute Lösung, wenn auch für mich als Leser nicht. Angstspannung im BDSM ist mehr als ein Aphrodisiakum, stelle ich mir vor. Sie berührt eine Grundangst und Grundhoffnung jeder engen Beziehung: Das Demaskiertwerden. Das ist gut entwickelt im Text, weil darauf fokussiert wird und damit mehr als die Darstellung eines feuchten Traums für devote Männer daraus wird. Ich mag das jetzt nicht begründen, weil das ohne ´spoilern´ nicht geht.
Ich wende mich deshalb etwas anderem zu: Manche Geschichten bestehen aus einem Text, und das reicht ja auch. Andere haben noch ein Kellergeschoss. Jedenfalls haben sich mir die Nackenhaare beim Lesen aufgestellt. Denn der Sprung ins Nichts steht jeder Lebensgeschichte bevor. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, bedarf keiner Suspension-Spannung und schließt auch den Leser mit ein. Ich lese Dein Finale der Geschichte als untergründigen Zynismus.
Ich fragte mich beim Lesen dieser Geschichte, wie bei vielen anderen aus dieser Neigungssparte: Was führt Männer dazu, zu knien (außer im katholischen Gottesdienst oder beim Fliesenlegen), sich stalken zu lassen, sich demütigen zu lassen, Sexverbote auferlegt zu bekommen …? Die Antwort gehört nicht mehr zur Geschichte hier. Es gehört sich auch nicht, sich über anderer Leut Neigung auszulassen. Aber die Story stellt mir wieder die Frage.