Lieber Tek Wolf,
ich denke, dass du dir an der falschen Stelle Gedanken machst. Es gibt „den Leser“ nicht und dementsprechend kannst du auch nicht so schreiben, dass du ihn befriedigst. Die beste Geschichte wird auf Ablehnung stoßen, wenn der Leser etwas anderes erwartet. Ich nenne hier als Beispiel einmal meinen „Druckpunkt“ der naturgemäß bei allen Lesern auf Ablehnung stieß, die hier Erotik und BDSM erwartet hatten.
Der Leser kann also nicht dein Maßstab sein. Andererseits wiederum doch, denn für den schreibst du ja.
Wie kommst du aus diesem Problem heraus? Indem du die Geschichte so schreibst, dass du sie lesen würdest. Stell dir vor, deine Geschichte würde hier erscheinen, wäre jedoch nicht von dir. Würdest du sie lesen? Ehrlich? Warum? Oder würdest du gähnen, nach den ersten Sätzen aussteigen und sagen: Langweilig, Selbstbefriedigung, schon tausendmal gelesen.
Wenn du das Gefühl hast, dass in deiner Geschichte etwas fehlt, etwas zu viel ist, etwas falsch ist – setz dich ran und änder es. Dein Gefühl hat Recht!
Lies dir deinen Text laut vor und immer an der Stelle, wo dein Mund etwas anderes sagt, als im Text steht, hast du Mist gebaut. Ändern! „Playlist“ habe ich zweimal komplett gelöscht und neu geschrieben und mindestens zwanzigmal überarbeitet. Es gibt da keinen, wirklich keinen Satz, der so ist, wie ich ihn das erste Mal geschrieben habe.
Personen sind das Salz in der Suppe. Wir fiebern mit ihnen, leiden mit ihnen, hoffen für sie. Ob eine lange Beschreibung oder eine kurze, ist völlig egal. Nicht egal ist es, ob sie passt. Du kannst ein Gemälde malen oder mit wenigen Strichen eine Bleistiftskizze – darauf kommt es nicht an, sondern darauf, dass man erkennt, was abgebildet ist.
Gleiches gilt für das „Setting“, also die räumliche und zeitliche Orientierung. Es gibt Geschichten wie zum Beispiel „Das Ventil“ von River, die kommen komplett ohne Setting aus, weil die Geschichte fast nur in der Innensicht spielt. Ein großes Setting würde hier nur vom Wesentlichen, dem Konflikt, ablenken. Im Gegensatz dazu trägt in „Selbsthass“ von Sklavin Sisa das Setting in den Dünen die ganze Geschichte, gibt ihr den entsprechenden Rahmen. Ohne die Dünen wäre die Geschichte nicht komplett.
Es ist deine Entscheidung als Autor, was die Geschichte trägt, was ihr die unverwechselbaren Merkmale aufdrückt und was du benötigst, damit sie stimmig ist. Lass dich nicht davon beeinflussen, dass Beschreibungen von Dingen und Orten, vor allem aber die von Menschen nicht einfach sind und man sich aus diesem Grund gerne davor drückt. Übung macht den Meister und irgendwann macht es sogar Spaß, sich so etwas auszudenken. Auch eine Beschreibung kann spannend sein, lustig, drohend oder eben auch ... langweilig. Es liegt an dir, was davon es wird.
Ich wünsche dir in jedem Fall viel Erfolg und trau dich!
Herzlich
TT
Ergänzung: Als ich vor ca. zehn Jahren (nachdem meine Geschichten überall zerfetzt wurden) Blut geleckt hatte, habe ich nach Hilfe gesucht und sie bei Andreas Eschbach gefunden. Eigentlich war es das genaue Gegenteil, denn was ich da las, wäre ein Grund gewesen, sofort damit aufzuhören. Heute bin ich froh, es nicht getan zu haben. Vielleicht hilft es dir:
Wie schreibt man eigentlich gut?