Wieder eine Gregor-Geschichte, die ich mit viel Genuss gelesen habe.
Da Sucht von Suchen kommt und nicht von Finden, ist der Titel passend gewählt.
Ich habe gar nicht gemerkt, dass der Text so lang ist, weil ich von Absatz zu Absatz getrieben las. Technisch ist es Aufgabe des Schreibenden, Leser bei der Stange zu halten. Nur aus Respekt vor der Mühe lese ich doch keinen Text zu Ende.
Dass das sprachlich gelungen ist, obwohl der Inhalt das gar nicht in sich trägt (schon neigungsbezogen nicht), zeugt davon, wie Du, Gregor, Leser sprachlich führen kannst.
Zur Hauptperson: Sie ist in ihrer Suche und Tragik realistisch beschrieben. Sogar namenlos bleibend, wenn ich es recht erinnere. So unsympathisch ist die Hauptperson nicht, sonst trüge der ganze Text nicht. Das Geld ist auch nur stellvertretend für die Aufgabe aller Sicherheitsnetze. Der wirkliche Verlust ist der einer Männerfreundschaft unter vermeintlich Gleichgesinnten (Ralf); immerhin die einzige Bindung, die der Protagonist unterhält.
Die Ich-Perspektive ist konsequent eingehalten. Diese hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, dass ich über Kerstin nur indirekt etwas erschließen kann. Super, das kann Spaß machen. Dafür werden eine Reihe Indizien geliefert: Sie heiratet, sie möchte Mutterschaft, sie ist Leistungssportlerin und schnörkellos, wenn es um ihre Interessen geht. Das Denken in Gewinn-und-Verlust, Kalkül, ist übrigens etwas, das beide Personen ähnlich macht. Er sucht sich ja nicht die Ergänzung, sondern die Selbstbespiegelung, was nur oberflächlich durch S/M-Rollenaufteilung anders erscheint. Der Nachteil ist: Die Bestimmungsstücke gehen in mir nicht ganz auf, Kerstin bleibt mir als Person lückenhaft, Fantasiegestalt. Ich finde, da hast Du auf einiges an Potenzial im Text noch verzichtet. Aber macht sich ein Maso (in Ich-Perspektive) überhaupt Gedanken um seine Domina, solange sie ihre Funktion erfüllt? *g
Ein klasse Text. Mit viel Anreiz zum Deuten und Abgrund. FemDom Deiner Spielart ist eine prächtige Erweiterung der Kulleraugen-Romantik. Bis hin zur Befremdlichkeit. Ein Indiz übrigens dafür, dass Deine Hypothese, wonach weibliche und männliche Submission unterschiedlich gestrickt sind, gar nicht waghalsig ist. Im Gegenteil. Ich würde sie nur nicht eindeutig Männlein und Weiblein zuordnen. Das kalte und das fürsorgliche Moment sind zwei Triebfedern, sich zu unterwerfen oder unterworfen zu werden.
Weniger Gefallen habe ich an der Einleitung Deines Textes gefunden. Heuschrecken und Banker … ja, die gibt es wohl. Auch das ist schwierig in Ich-Form, wenn man das Metier aus eigener Anschauung nicht oder zu wenig kennt. Dann landet man im Klischee, oder dem „…Ihr wisst schon“. Nichts weiß ich. Vor allem dort: Ein paar wenige Andeutungen, wie sein Reichtum zustande kam und stattdessen mehr individuelles Fleisch, wären nach meinem Geschmack dienlicher gewesen.
Gerne wieder, Gregor. Ich habe diesmal übrigens spannend, melancholisch, beunruhigend und sehr gut angekreuzt.