Lotti war schon immer eine wählerische Katze. Aber ich liebte sie über alles, auch wenn ich ihre Bedürfnisse nicht immer verstand - bis zu diesem einen Samstagmorgen letzten Frühling zumindest.
Lotti war schon immer eine wählerische Katze. Ihr Futter musste die beste Marke sein. An manchen Tagen fraß sie es ohne Widerrede, an anderen ließ sie mein Angebot einfach im Fressnapf liegen.
Ich liebte meine Katze über alles, auch wenn ich ihre Bedürfnisse nicht immer verstand - bis zu diesem einen Samstagmorgen letzten Frühling zumindest. Sie stand erwartungsvoll an meinem Schreibtisch und klagte mit ihrem sehnsüchtigen Miauen, wie sie es schon hunderte Male zuvor getan hatte. Normalerweise hätte ich dem kleinen Tier sein Lieblingsfutter gebracht, wäre da nicht dieser eigenartige Geruch gewesen.
Es war ein kitzelndes, sanftes Gefühl in meiner Nase. Kam das aus der Küche? Hatte ich vielleicht etwas anbrennen lassen? Nein, dieser Geruch kam von Lotti, meiner Katze. Aber es war nicht der gewöhnliche Katzengeruch, den ich schon seit Jahren kannte.
Was meine Nase irritierte, war etwas Neues, ganz Eigentümliches. So wie meine Ohren in der Lage waren, aus Lauten und Tönen Sprache und Musik zu verstehen, so konnte meine Nase plötzlich die Melodie des Verlangens erkennen. Etwas an Lotti kommunizierte mit meiner Nase und sagte mir, wonach sie sich sehnte. Lotti wollte unbedingt am Bauch gestreichelt werden.
Ich nahm die schlanke Katze auf meinen Schoß, fuhr mit meinen langen Fingernägeln über ihre Unterseite und sie schnurrte glücklich. Zu meiner Überraschung änderte sich ihr Geruch daraufhin schlagartig. Das kitzelnde, juckende Verlangen wurde schwächer. Eine neue Melodie übertönte die alte. »Mach weiter! Mach weiter!«, kitzelte es in meiner Nase. Es roch unbeschreiblich gut, Lotti diesen Wunsch zu erfüllen, wie eine Mischung aus Erdbeeren und Lavendel. Ich strich und kratzte so lange über ihr weiches Fell, bis mir ein neuer, beißender Gestank in die Nase stieg. Eine sehr unschöne Melodie breitete sich in meinem Geruchssinn aus. Wie modriges Holz oder der Klang eines verstimmten Klaviers, verlangte Lotti, sie loszulassen. Ich hatte verstanden und legte das Tier wieder auf den Boden.
»Jagen! Jagen! Jagen!«, erklang es in meiner Nase und Lotti rannte in das andere Zimmer, durch die Katzenklappe und raus ins Freie.
Lottis Jagdinstinkt hatte eine reizvolle Duftnote. Etwas Unbefriedigtes lag darin. Wie ein Hunger, der sich nie ganz stillen ließ. Plötzlich verstand ich, weshalb Katzen so lange mit ihrer Beute spielen. Ihr tierischer Trieb, etwas Wildes mit den Krallen zu packen, war so klar in meiner Nase zu spüren, dass ich mich am liebsten selbst auf die Suche gemacht hätte.
Die Duftspur folgte dem flinken Tier nach draußen. Je weiter sie sich entfernte, desto mehr nahm ich all die anderen Düfte in meinem Zimmer wahr. Sie waren ganz mild und flüchtig, beinahe hätte ich sie nicht bemerkt. Durch die Fensterspalten strömte der Dunst der Stadt in meine kleine Wohnung. Er strömte an meinen vielen Pflanzen vorbei, näherte sich mir von allen Seiten und drang mir in die Nase.
Ängste und Sehnsüchte füllten leise meine Wohnung. Es trieb mich vor die Tür.
Mit dem ersten Atemzug der Frühlingsluft wurde mir bewusst, wie weit meine neue Fähigkeit reichte.
Eine gigantische Dunstwolke zog durch meine Straße. Es erforderte etwas Übung, die vielen vermischten Düfte zu unterscheiden und zuzuordnen.
Obwohl ich sie nicht sehen konnte, wehte mir das sorgenvolle Aroma der Kaufmänner und Ladenbesitzer entgegen, die sich nichts mehr wünschten, als endlich wieder schwarze Zahlen zu schreiben.
Darunter mischte sich der erschöpfte Schweiß der Handwerker, die sich ihren Feierabend bei einem frisch gezapften Bier im Schatten herbeisehnten.
Am Eck sah ich eine junge Frau, etwa in meinem Alter. Sie öffnete die Tür zum Buchladen. War sie die Inhaberin? Ich konzentriere mich, ihren Duft aus dem tosenden Orchester herauszulesen.
Eine bittere, salzige Melodie wurde immer deutlicher. Ich spürte einen Widerwillen. Die Frau wünschte sich, den Laden zu schließen und nie wieder zu öffnen. Sie wollte weit wegfahren, ein neues Leben beginnen. Der Geschmack von Reue und Nostalgie war in diese Stimmung eingewebt. Sie sehnte sich nach einem Menschen, einem Mann, der sie mit sich reißen, sie aus ihrem Leben befreien würde.
Mir wurde übel. Ich schüttelte den Kopf und versuchte, diesen Gestank aus der Nase zu bekommen. Der Duft der jungen Frau verblasste wieder und wurde von unzähligen anderen Stimmen überdeckt. Jeder Mensch und jedes Tier hinterließen einen unverwechselbaren Schweif.
Ich spürte die Last der ganzen Stadt in meine Nase steigen. Ich trat zurück, wollte zurück zu mir, in meine Wohnung.
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mich, als bekennenden Süskind-Parfum-Fan, hat die Geschichte zugegebenermaßen leider nicht so richtig abholen können.
Zunächst finde ich die Idee super und spannend, der Protagonistin die Superkraft zu verleihen Emotionen anstatt gegenständlicher Dinge riechen zu können. Das und auch die Beschreibung dieser Gefühls- und Bedürfnisgerüche hast du wirklich sehr gut umgesetzt, wie ich finde.
Während ich die Geschichte aber gespannt verfolgte und die ganze Zeit auf die Sache mit der Versuchung wartete, bin ich irgendwie verloren gegangen. Spätestens ab dem Punkt, an dem die Protagonistin in latente Panik verfällt und überstürzt die Stadt verlässt, weil sie sich selbst "nicht riechen" kann, waren mir die Grenouille-Parallelen einfach zu groß und haben mich zu sehr an dessen ebensolche Krise erinnert, als er so weit wie möglich entfernt von nur irgendetwas sein wollte, das einen Geruch abgibt.
Den darauf folgenden Turn, hin zu dem geschilderten Duft der Freiheit, habe ich dann leider inhaltlich nicht mehr hinbekommen, auch wenn ich die Vorstellung an sich toll finde. Da sich mir aus der Geschichte bis dahin aber nicht erschlossen hat, dass deiner Protagonistin dieses Gefühl der Freiheit offenbar im Voraus verloren gegangen sein muss, konnte ich diese Erleichterung, dieses vermeintliche Ankommen nicht so richtig nachvollziehen. War sie denn vorher unglücklich, fühlte sich eingesperrt? Und habe ich das mit der Versuchung einfach verpasst oder nicht verstanden? Läge bei mir durchaus im Bereich des Möglichen... :)
Sicher muss nach dem Lesen einer solchen Geschichte nicht jeder Zusammenhang geklärt, jede Frage des/der Lesenden beantwortet sein. Manches gewinnt auch durch die ein oder andere Unklarheit oder das Geheimnisvolle seinen Reiz. Hier fühlte ich mich nur einfach in vielerlei Hinsicht etwas ratlos zurückgelassen. Das ist aber ja nur mein ganz persönliches Empfinden.
Die Geschichte baut sich langsam sehr erotisch auf um dann auf einmal so plötzlich zu enden. Schade ich hätte mir einen schöneren Abschluß gewünscht. Trotzdem eine tolle Geschichte
Ich gebe zu, das ich erst einmal über deine Geschichte nachdenken musste - oft fallen mir 1000 Gedanken ein, die exponentiell wachsen.
Ich habe eine Geschichte gelesen die ganz ohne erotischen Inhalt aus kam - höchstens leicht ankrazte als deine Protagonistin durch die Gerüche des Mannes, das phantasieren begann.
Ich war zu est irritiert - ich weiß das Du das magst wenn Du deine Leser zum Nachdenken animierst und diese auch irritierst aber ja ich fand es zuerst zu sehr in der Phantasie geschrieben - wie soll man als Mensch so viele Gerüche unterscheiden können, geschweige den solche Details herausfinden. Das gibt unser menschlicher Körper nicht her.
Aber das fand ich dann ebend auch total spannend und so hast Du mich nun doch gefesselt.
Ich fand es spannend die Frau zu begleiten in diese Welt.
Wie Sie die verschieden Menschen gerochen hatte.
Die Kaufleute und vor allem die Frau mit ihrer Büchereie.
Reale Ängste und Wünsche hast Du beschriebene.
Die Handwerker die nach einem harten Tag ein kühles Getränk genießen.
Wie sie den Mann an der Haltestelle gerochen hatte.
Jede kleinen Details.
Lustig fand ich ja ihren Grund warum er mitkommen soll:
"Eine große Maus"
Ich fand das Spiel sehr gelungen und ist es auch nicht wirklich so, daß wir bei Gerüchen doch diverse Dinge heraus riechen?
Düfte können uns inspirieren. Mal empfinden wir das der blumige Geruch eine Frau, liebevoll, zart und zerbrechlich erscheinen lässt - der herbe oder strenge Geruch macht jemanden unnahbar und hart.
Unsere Phantasien gehen teilweise mit uns durch und das hast Du hier schön niedergeschrieben.
Der Duft der Freiheit - ja wie klar er doch nur in den Bergen zu finden ist und für manche am Meer und doch fand ich es schön, weil die Junge Frau einfach für sich entscheiden kann was Sie möchte, wem sie mit nimmt und wem sie wieder gehen lässt.
Mit ihren reizen einen Menschen verführen und spielen kann.
So viele kleine Details - jeder für sich erzeugt etwas sinnliches.
Mal liebevoll, fast verspielt und manchmal auch streng und unnahbar.
Und doch ist sie frei.
Das war auch der Sinn hinter deiner Geschichte. Sie ist den vielen Düften der Umwelt verfallen und der Versuchung unterlegen diesen nachzugehen - doch ist sie der Versuchung der Freiheit verfallen.
Lieber Obscurius Optissimus ich danke Dir für deine Geschichte, das Du diese mit uns teilst und auch an dem Schreibwetbewerb teilgenommen hast.
Ich habe deine Geschichte gerne gelesen, weil sie mich in eine kleine Reise mitgenommen hat - eine andere Welt.
Du hast eine sanfte Art zu schreiben, was mir gefällt und womit Du Ruhe und Klarheit ausstrahlst.
06.09.2025 um 21:29 Uhr
Lieber Obscurius Optissimus,
mich, als bekennenden Süskind-Parfum-Fan, hat die Geschichte zugegebenermaßen leider nicht so richtig abholen können.
Zunächst finde ich die Idee super und spannend, der Protagonistin die Superkraft zu verleihen Emotionen anstatt gegenständlicher Dinge riechen zu können. Das und auch die Beschreibung dieser Gefühls- und Bedürfnisgerüche hast du wirklich sehr gut umgesetzt, wie ich finde.
Während ich die Geschichte aber gespannt verfolgte und die ganze Zeit auf die Sache mit der Versuchung wartete, bin ich irgendwie verloren gegangen. Spätestens ab dem Punkt, an dem die Protagonistin in latente Panik verfällt und überstürzt die Stadt verlässt, weil sie sich selbst "nicht riechen" kann, waren mir die Grenouille-Parallelen einfach zu groß und haben mich zu sehr an dessen ebensolche Krise erinnert, als er so weit wie möglich entfernt von nur irgendetwas sein wollte, das einen Geruch abgibt.
Den darauf folgenden Turn, hin zu dem geschilderten Duft der Freiheit, habe ich dann leider inhaltlich nicht mehr hinbekommen, auch wenn ich die Vorstellung an sich toll finde. Da sich mir aus der Geschichte bis dahin aber nicht erschlossen hat, dass deiner Protagonistin dieses Gefühl der Freiheit offenbar im Voraus verloren gegangen sein muss, konnte ich diese Erleichterung, dieses vermeintliche Ankommen nicht so richtig nachvollziehen. War sie denn vorher unglücklich, fühlte sich eingesperrt? Und habe ich das mit der Versuchung einfach verpasst oder nicht verstanden? Läge bei mir durchaus im Bereich des Möglichen... :)
Sicher muss nach dem Lesen einer solchen Geschichte nicht jeder Zusammenhang geklärt, jede Frage des/der Lesenden beantwortet sein. Manches gewinnt auch durch die ein oder andere Unklarheit oder das Geheimnisvolle seinen Reiz. Hier fühlte ich mich nur einfach in vielerlei Hinsicht etwas ratlos zurückgelassen. Das ist aber ja nur mein ganz persönliches Empfinden.
Ganz vielen Dank fürs Lesenlassen!
Ich hoffe, du nimmst mir die Kritik nicht übel.
Grüßchen
Yuria
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