Auf den ersten Blick wirkte der Eingang in der Seitenstraße wie der Zugang zu jedem anderen Lokal. Ein beleuchtetes Schild an der Hauswand darüber informierte sichtbar und doch mit dezenter Eleganz über dessen Lage. Die Schiebetür aus Milchglas wurde beiderseits von den typischen Aufstellern flankiert, auf denen eine Speisekarte in japanisch, mit englischer Übersetzung und hübschen Bildern über die Genüsse Auskunft erteilte, die man hier konsumieren konnte. Eine Tafel an der Wand neben dem Eingang informierte über die Öffnungszeiten sowie Events und die allgemeinen Hausregeln. Soweit gab es also keinen Unterschied zu den Dutzend anderen Lokalitäten in der Stadt, wenn da nicht doch eine Besonderheit gewesen wäre.
Am Kopfende der Speisekarte reihten sich Bilder lächelnder Kellnerinnen aneinander und präsentierten die Belegschaft nicht nur mit einem freundlichen Gesicht, sondern allesamt in der klassischen Uniform eines französischen Dienstmädchens. Oder wie man der Einfachheit halber zu der Kombination aus schwarzem Kleid, passenden Strümpfen, weißer Schürze und Apron auch sagte, einem Maid-Kostüm. Denn dieses Lokal war ein sogenanntes Meido kissa, ein Maid Café.
Und gerade schickte sich ein junger Mann dazu an, in die Hallen dieses besonderen Kaffeehauses einzutreten. Auch wenn er - im Gegensatz zu den anderen Kunden - nicht einfach nur zum Vergnügen hier war. Nein, Kenshin Muon, adoptierter Sohn und Schüler seines Onkels Sorata, war auf bestimmendes Anraten seines Lehrmeisters hier. Der hoch gewachsene und eigentlich aus Amerika stammende Teenager war nach dem Unfalltod seiner Eltern nach Japan gezogen, um hier bei seiner Tante Jenny und deren Familie zu leben. Der erlittene Verlust, zusammen mit der Lebensumstellung, hatte den Jugendlichen zu Beginn einfach überwältigt und er war aggressiv und undiszipliniert gewesen. Bis ihn Sorata zuerst mit der Kunst des Iaido, des klassischen Schwertziehens, bekannt gemacht hatte, um seinen Geist zu beruhigen und seinen Willen zu festigen. Als Kenshin schließlich vermehrtes Interesse am anderen Geschlecht zeigte, hatte der erfahrene Mann die wahren Interessen seines Schülers erkannt und ihn wenig später auch an seiner Erfahrung als Shibari-Meister teilhaben lassen. Die erotische Kunst der Fesselung verlangte mehr als nur heißblütige Erregung und bald war er seinem Neffen in beiden Disziplinen ein guter, wenn auch strenger Sensai.
Groß, sehnig, mit rabenschwarzem Haar und tiefbraunen Augen war Kenshin dank seiner Abstammung ungewöhnlich genug, um durchaus das Interesse der holden Weiblichkeit zu wecken. Ein Umstand, den er wie alle jungen Männer in seinem Alter durchaus zu schätzen wusste. Weshalb Sorata entschieden hatte, dass die gelegentlichen Besuche im Maid-Café nicht dazu führen sollten, dass sein Schüler faul wurde.
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