Was ist BDSM? Was D/S? Was S/M? Wo ist die Abgrenzung zu Normalos zum Beispiel? Wo die zwischen D/s und S/M? Und nun die Frage aller Fragen: Wozu die Fragerei?
Hier mal meine Gedanken dazu, in epischer Breite, aber - man mag mir bitte verzeihen - ich kann irgendwie nicht kürzer.
Es gibt die komplette Bandbreite, angefangen von filzpantoffeltragenden Paschas, die glauben, D/s sei es schon, wenn sie ihr „Frauchen“ - das Ihnen ja selbstverständlich untertan ist - anherrschen, ihnen Bier aus dem Keller zu holen. Auf der anderen Seite der Extreme die „echten“ SM’ler, die sich selbst als die einzig Wahren betrachten und die alles andere, bei dem nicht literweise Blut spritzt und der Partner halb ohnmächtig in der Ecke liegt, nicht gelten lassen.
Nur, wen interessiert die Definition? Was bringt sie? Wer braucht sie? Wofür? Welchen Zweck sollen solche Begriffsbestimmungen haben? Zur eigenen Selbstfindung? Oder zur Erhöhung der eigenen Position bzw. vice versa zur Herabsetzung der anderen Varianten gar? Für einige vielleicht sogar frei nach dem Motto, S/M'ler als weniger „wert“ als D/s’ler zu betrachten? Weil überwiegend auf körperlicher anstelle geistiger Ebene unterwegs?
Mir ist es egal, was andere davon halten, worüber sie sich aufregen und was sie denken, wie mein Partner und ich unsere Rollen ausleben. Zum einen geht es niemand etwas an und zum anderen würde es nichts ändern, wenn mir jemand sagen würde, was wir so anstellen, sei kein richtiges BDSM oder aber von allem zuviel und man müsste es so oder so tun (mal von den obligatorischen Sicherheitshinweisen abgesehen).
Ich glaube auch nicht, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Rolle im BDSM-Kontext und der Persönlichkeit, dem Benehmen im täglichen Alltagsgeschehen gibt. Meiner Meinung nach schließt das eine das andere weder ein noch aus noch bedingt das eine das andere.
Submissive Männer können beispielsweise im Berufsleben genauso gut erfolgreich und tough als Führungskräfte sein. Sie können trotzdem ihrer Partnerin ebenso wie andere eine starke Schulter zum Anlehnen bieten, wenn sie diese braucht. Ich halte es für einen Trugschluß zu glauben, nur weil jemand die Rolle des harten Doms spielt, dass er in der Partnerschaft, in der Normalität des Alltags, automatisch dieselben Verhaltensweisen an den Tag legt und beispielsweise im Beruf nicht den Radfahrer und Schleimer gibt. Genausowenig sind dominante Frauen weder automatisch kaltherzige, herrschsüchtige Weiber noch sind submissive Frauen in der täglichen Realität generell die schutzbedürftigen „Weibchen“, die ständig, immer und überall einen starken Mann brauchen, der ihnen sagt, wo’s langgeht; sondern können genauso durchsetzungsfähig sein.
Sich im Alltag nichts sagen zu lassen und selbstbewusst seine eigene Interessen zu verfolgen heißt doch noch lange nicht, dass man im BDSM logischerweise dann den/die Dom gibt und sich nicht als Sub wiederfindet. Genausowenig wie ein harmoniebedürftiger, friedliebender Mensch während einer S/M-Session nicht vielleicht trotzdem plötzlich zum Sadisten mutieren kann, wenn er in seine Rolle eintaucht.
Und nicht zu vergessen die Männlichkeitsprotze, die ganzen sogenannten Superdoms, die es einer ja von der Natur her grundsätzlich schwachen Frau so richtig zeigen können, was Sache ist, die ihre patriarchalische Tyrannei unter dem Deckmäntelchen von D/s verstecken. Die dann aber, wenn es einmal darum geht, Interessen zu vertreten, „seinen Mann zu stehen", wimmernd ihren Schwanz einziehen.
Also, wer legt anhand welcher Verhaltensweisen in welcher Ausprägung fest, was D/s (und S/M) ist und wie man sich dann jeweils in den einzelnen Rollen zu verhalten habe?
Wer hat denn überhaupt die Kompetenz dazu? Oder warum gibt man irgendwelchen selbsttberufenen Koryphäen die Macht dazu, indem man ihnen hinterherläuft und ihre Thesen mantraartig wiederholt? Und wenn ich mich darin, in deren Beschreibungen nicht wiederfinde, was dann? Wenn’s nicht passt, was macht man dann?
Diese Definitionen sind doch wieder nichts anderes als Klischees, Schubladen, in die wir doch eigentlich nicht gesteckt werden wollen, also ich zumindest nicht. Normierungen, die alles irgendwie festlegen wollen und dann alles andere außerhalb im einfachsten Fall nur ablehnen, im schlimmsten Fall als nicht akzeptabel definieren und bekämpfen.
Nur ein Beispiel aus der Medizin noch dazu, leider trotz der Änderung des ICD-Codes immer noch aktuell. Lauter Spezialisten, Halbgötter in weiß, haben irgendwann mal festgelegt, dass das Interesse an und die Ausübung von BDSM eine psychotische und behandlungsbedürftige Fehlsteuerung ist. Kein BDSM'ler möchte sich doch ob seiner Neigung als krank einstufen oder sich in die geschlossene Anstalt einweisen lassen. Kann aber immer noch passieren, wenn man seinem Psychiater vertraut und ihm von den Dingen erzählt, die einen anmachen. Also hier hat man eine eindeutige Definition, und was nun?
Wie nicht nur überflüssig, sondern sogar gefährlich solche - teilweise vollkommen willkürlichen - Abgrenzungen sein können, ist jeden Tag zu erleben.
Deswegen aus aktuellem Anlass doch noch ein weiteres Beispiel, wohin solche Definitionen zur Ab- und letztendlich Ausgrenzung führen.
Die Diffamierung von Homosexualität und die Gewalt ggü. Schwulen und Lesben nämlich, die zeigt, was passiert, wenn die Gesellschaft etwas als „abnormal“, widernatürlich oder pervers definiert. Wenn Lesben zusammengeschlagen werden, weil sie sich in der U-Bahn küssen oder Schwule sich Anfeindungen ausgesetzt sehen, wenn sie, wie jedes andere verliebte Paar auch, Arm in Arm gehen, sieht man, was passiert, passieren kann, wenn man sich außerhalb des vermeintlich Normalen befindet. Also, warum dann innerhalb des jetzt schon sowieso nicht normalen BDSM wieder Definitionen und Abgrenzungen einführen? Wozu? Auf der einen Seite gegen Grenzen, gegen Ausgrenzen sein, auf der anderen Seite innerhalb der eigenen Gruppe wieder separate Grenzen einführen wollen.
Und nicht zu vergessen, dass die Gemeinschaft der BDSM’ler - wobei es diese als solche nicht wirklich gibt - bei weitem nicht die liberale und tolerante Truppe ist, wie man vielleicht gerne glauben möchte.
Auch innerhalb dieser Gruppierung gibt es Homophobie. Rein statistisch betrachtet ist das zwar zu erwarten, trotzdem bleibt es irgendwie trotzdem unverständlich, eigentlich unfassbar. Der bereits genannte Hetero-Superdom, der sich von „Schwuchteln“ abgestoßen fühlt oder Aussagen, dass Homos doch bitte schön ihre Neigung bei sich zuhause ausleben sollen, sind Beispiel dafür. Von Neigung zu sprechen ist hierbei übrigens grundfalsch, denn es ist eine sexuelle Orientierung, keine Neigung, was einen Riesenunterschied macht.
Diese sogenannten Perversen, egal welcher Couleur, werden ausgegrenzt von sozialer Teilhabe, solche will man als der guter Teutsche (nein, kein Schreibfehler) bei sich - im Haus gegenüber, der Wohnung nebenan, im Dorf - schlichtweg nicht haben.
Mir wäre es lieber, anstatt über neue, zusätzliche, eigene Definitionen - und damit wird automatisch abgegrenzt - innerhalb der BDSM’ler nachzudenken, wenn man besser gegen die bestehenden Grenzen und Vorurteile, auch gegenüber BDSM, in der Gesellschaft vorgehen würde. Und deswegen finde ich es wichtig, sich zu solidarisieren, gemeinsam sich gegen jegliche Diskriminierung zu wehren, anstatt neue Mauern in Form von Worten zu bauen.