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Forum - BDSM - Erfahrungsaustausch

Vorurteile über D/s - was ist das eigentlich?

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Mai

Profil unsichtbar.

27.07.2019 um 18:06 Uhr

Heute darf sich jeder Dom oder Sub (oder beliebige andere Begriffe bis hin zu Mann und Frau) nennen wie es ihm beliebt. Soweit okay. Aber was bedeuten diese Begriffe dann? Wenn es beliebig, nur an dem eigenen Empfinden liegt, ob man Dom/Sub/Switcher ist, bedeuten diese Begriffe dann noch was?

 

An wessen Empfinden soll es denn sonst liegen, wenn nicht am eigenen, ob man submissiv, dominant, maso, oder sad ist? Wurde das vor dem Jahrhundertwechsel zugeteilt?

 

"Ich suche einen Dom, weil ich einen starken, selbstbewussten Mann mit Rückgrat will. Die meisten Männer sind ja Weicheier!"

 

Jo. Isso. Weil mit echte Machos, die denken nur weil ich eine Frau bin, müsste ich gefügig sein, kann ich persönlich überhaupt nichts anfangen. Ich brauch ein Umweg über die Neigung, um es manchmal sexy zu finden, mich aufzuführen wie ein Heimchen am Herd aus der Puddingwerbung 1950. Ich mag Männer mit Haltung. Aber nur welche, die diese Rolle reflektiert haben und wissen, wann es Zeit für Pudding ist und wann Zeit für Gleichberechtigung.

 

Was mich jetzt interessiert ist, wie seht ihr BDSM (insbesondere die D/s-Beziehungs-Geschichte) und was ist Euer Antrieb sich damit zu beschäftigen?

 

Meine Libido. Ich mag es eben pervers.

 

Solche und ähnliche Aussagen, die auf die (zwanghafte?) Individuaität und Einzigartigkeit abzielen, verstehe ich ehrlich gesagt nur zum Teil. Denn in meinen Augen ist gerade die Gemeinsamkeit, die wir mit anderen haben, das was uns stärkt. Wie sollen Gemeinschaften entstehen, wenn man statt der Gemeinsamkeiten die Unterschiede beleuchtet und zelebriert? Und wenn wir nicht mehr als Gemeinschaft auftreten wollen, wundern wir uns dann, das wir als Heer von Einzelkämpfern gegen die Windmühlen unsere Kräfte vergeuden?

 

Ich bin ein Individuum. Und einzigartig. Ist doch jeder. Ich wüsste nicht, warum ich eine Gruppe bräuchte, um mich zu stärken? Ich bin mir meiner Neigung bewusst. Ich habe einen Partner, mit dem ich das teilen kann. Auf ganz genau unsere Art und Weise. Ich brauche keinen Schwarm. Was ich im Bett veranstalte bekommt keiner mit. Mir ist es total egal, was der Rest der Menschheit darüber denkt. Ich belästige niemanden damit. Von daher brauche ich keine Akzeptanz der Gesellschaft. Nicht mal die Akzeptanz der Subkultur, denn ich vögle ja nur mit einem Mann. Solange der damit einverstanden ist was wir machen, sehe ich keine Probleme.

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hanne lotte

Autorin. Korrektorin. Förderer.

27.07.2019 um 23:01 Uhr

Da waren noch drei Fragen ...

 

- Was suchst Du in einer D/s Beziehung, was eine "normale" Beziehung Dir nicht bieten kann?

Das, was jeder andere in einer Beziehung sucht. Liebe, Akzeptanz, Erfüllung. Ich hab mir das mit der Neigung ja nicht ausgesucht.

 

- Was unterscheidet Dich als Sub/Sklavin von einer Freundin die gerne ihren Freund umsorgt und für ihn da ist?

Sie umsorgt ihn vielleicht, weil sie's gerne kuschelig mag, weil sie die Beziehung pflegen will, ihn binden will. Weil sie eben gerne jemanden umsorgt.

 

Ich umsorge meinen Mann auch, jedenfalls manchmal.

Aber wenn er in einer bestimmten Situation eine Anweisung erteilt, dann legt er damit bei mir einen Schalter um. Dann geht es nicht um umsorgen, sondern um Sex. Weil er dann die Kontrolle übernimmt und mich da kickt.

 

GEgenfrage: Was unterscheidet dich als Dom von dem umsorgten Pantoffelhelden oder, ganz anders, von dem manipulierenden Narzissten?

 

- Warum glaubst Du war BDSM lange Zeit als "krank", "pervers" oder "sittenwidrig" eingestuft?

Das ist es doch auch heute noch. Wat der Bauer nich kennt, dat frisst er nich.

 

Einen Nachtrag habe ich ´noch ...

 

Mir ist z.B. noch nahegelegt worden, daß mit der Führungsrolle eines Doms oder Masters auch die Verantwortung für das Umfeld kommt. Mein Auftreten sollte als Vorbild funktionieren und mein Diskussionston z.B. erzeugt die Atmosphäre, die in meinem Umfeld herrscht.

Gilt das nicht für alle, egal ob Dom, Sub, divers ...?

Jeder setzt mit seinem Verhalten Maßstäbe, kleinere und größere. Im Guten wie im Schlechten

Der erste, der in grottiger REchtschreibung Verbalinjurien postet, wird sicher für Irritationen sorgen. Und gleichzeitig ermutigen. Was einer kann, das können alle.

Beim zehnten hat man sich daran gewöhnt.

 

Schon einen Schritt nebem der BEziehung sind wir ganz normale Menschen.

 

Gruß

hanne

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31.07.2019 um 11:01 Uhr

Hans Bergmann

DS ist nicht da. DS wächst, ist ein Entwicklungsprozess, der ziemlich erfüllend wird, wenn er mit Blicken, Gesten, bestimmten Worten gesteuert werden kann.

SM kann Ergänzung zu gutem Sex sein, aber auch in Verbindung mit DS ein richtig gutes Lebenskonzept, eine ganz individuelle und erfüllende Welt für beide Partner, eine Insel in der großen Welt. Voraussetzung ist eine achtsame, liebevolle Beziehung. Fertig.

Danke Hans, besser hätte ich es nicht formulieren können. Diese ganze Rumdiskutiererei und Besserwisserei.....deshalb bin ich in keinem einschlägigen Diskussionsforum (die berühmte Ausnahme sind natürlich die Schattenzeilen). Es muss doch jeder selbst wissen, wie er leben und lieben will. Wie das heißt oder wie man es nennen mag, ist doch piepegal.

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Hans Bergmann

Autor.

01.08.2019 um 17:12 Uhr

Ein seltenes Lob für mich, für das ich dir, griche: danke, da ich mir auf den Schattenzeilen wie die alte Bäuerin vorkomme, die Katzenbabys vor den versammelten Ferienkindern aus der Stadt im Dorfteich ersäuft, wobei ich bereits den Anwurf höre, mit meinem Verbalsadismus selbst schuld zu sein, aber die Michelmütze rutscht mir immer vom Kopf, vielleicht sollte ich sie mal antackern, aber dann wäre ich Sub oder Switcher oder was weiß ich.

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Drachenlady

Autorin. Förderer.

04.08.2019 um 01:43 Uhr

Was ist BDSM? Was D/S? Was S/M? Wo ist die Abgrenzung zu Normalos zum Beispiel? Wo die zwischen D/s und S/M? Und nun die Frage aller Fragen: Wozu die Fragerei?

Hier mal meine Gedanken dazu, in epischer Breite, aber - man mag mir bitte verzeihen - ich kann irgendwie nicht kürzer.

Es gibt die komplette Bandbreite, angefangen von filzpantoffeltragenden Paschas, die glauben, D/s sei es schon, wenn sie ihr „Frauchen“ - das Ihnen ja selbstverständlich untertan ist - anherrschen, ihnen Bier aus dem Keller zu holen. Auf der anderen Seite der Extreme die „echten“ SM’ler, die sich selbst als die einzig Wahren betrachten und die alles andere, bei dem nicht literweise Blut spritzt und der Partner halb ohnmächtig in der Ecke liegt, nicht gelten lassen. 

Nur, wen interessiert die Definition? Was bringt sie? Wer braucht sie? Wofür? Welchen Zweck sollen solche Begriffsbestimmungen haben? Zur eigenen Selbstfindung? Oder zur Erhöhung der eigenen Position bzw. vice versa zur Herabsetzung der anderen Varianten gar? Für einige vielleicht sogar frei nach dem Motto, S/M'ler als weniger „wert“ als D/s’ler zu betrachten? Weil überwiegend auf körperlicher anstelle geistiger Ebene unterwegs?

Mir ist es egal, was andere davon halten, worüber sie sich aufregen und was sie denken, wie mein Partner und ich unsere Rollen ausleben. Zum einen geht es niemand etwas an und zum anderen würde es nichts ändern, wenn mir jemand sagen würde, was wir so anstellen, sei kein richtiges BDSM oder aber von allem zuviel und man müsste es so oder so tun (mal von den obligatorischen Sicherheitshinweisen abgesehen).

 

Ich glaube auch nicht, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Rolle im BDSM-Kontext und der Persönlichkeit, dem Benehmen im täglichen Alltagsgeschehen gibt. Meiner Meinung nach schließt das eine das andere weder ein noch aus noch bedingt das eine das andere.

Submissive Männer können beispielsweise im Berufsleben genauso gut erfolgreich und tough als Führungskräfte sein. Sie können trotzdem ihrer Partnerin ebenso wie andere eine starke Schulter zum Anlehnen bieten, wenn sie diese braucht. Ich halte es für einen Trugschluß zu glauben, nur weil jemand die Rolle des harten Doms spielt, dass er in der Partnerschaft, in der Normalität des Alltags, automatisch dieselben Verhaltensweisen an den Tag legt und beispielsweise im Beruf nicht den Radfahrer und Schleimer gibt. Genausowenig sind dominante Frauen weder automatisch kaltherzige, herrschsüchtige Weiber noch sind submissive Frauen in der täglichen Realität generell die schutzbedürftigen „Weibchen“, die ständig, immer und überall einen starken Mann brauchen, der ihnen sagt, wo’s langgeht; sondern können genauso durchsetzungsfähig sein.

 

Sich im Alltag nichts sagen zu lassen und selbstbewusst seine eigene Interessen zu verfolgen heißt doch noch lange nicht, dass man im BDSM logischerweise dann den/die Dom gibt und sich nicht als Sub wiederfindet. Genausowenig wie ein harmoniebedürftiger, friedliebender Mensch während einer S/M-Session nicht vielleicht trotzdem plötzlich zum Sadisten mutieren kann, wenn er in seine Rolle eintaucht.

Und nicht zu vergessen die Männlichkeitsprotze, die ganzen sogenannten Superdoms, die es einer ja von der Natur her grundsätzlich schwachen Frau so richtig zeigen können, was Sache ist, die ihre patriarchalische Tyrannei unter dem Deckmäntelchen von D/s verstecken. Die dann aber, wenn es einmal darum geht, Interessen zu vertreten, „seinen Mann zu stehen", wimmernd ihren Schwanz einziehen. 

 

Also, wer legt anhand welcher Verhaltensweisen in welcher Ausprägung fest, was D/s (und S/M) ist und wie man sich dann jeweils in den einzelnen Rollen zu verhalten habe?

Wer hat denn überhaupt die Kompetenz dazu? Oder warum gibt man irgendwelchen selbsttberufenen Koryphäen die Macht dazu, indem man ihnen hinterherläuft und ihre Thesen mantraartig wiederholt? Und wenn ich mich darin, in deren Beschreibungen nicht wiederfinde, was dann? Wenn’s nicht passt, was macht man dann? 

Diese Definitionen sind doch wieder nichts anderes als Klischees, Schubladen, in die wir doch eigentlich nicht gesteckt werden wollen, also ich zumindest nicht. Normierungen, die alles irgendwie festlegen wollen und dann alles andere außerhalb im einfachsten Fall nur ablehnen, im schlimmsten Fall als nicht akzeptabel definieren und bekämpfen.

Nur ein Beispiel aus der Medizin noch dazu, leider trotz der Änderung des ICD-Codes immer noch aktuell. Lauter Spezialisten, Halbgötter in weiß, haben irgendwann mal festgelegt, dass das Interesse an und die Ausübung von BDSM eine psychotische und behandlungsbedürftige Fehlsteuerung ist. Kein BDSM'ler möchte sich doch ob seiner Neigung als krank einstufen oder sich in die geschlossene Anstalt einweisen lassen. Kann aber immer noch passieren, wenn man seinem Psychiater vertraut und ihm von den Dingen erzählt, die einen anmachen. Also hier hat man eine eindeutige Definition, und was nun?

 

Wie nicht nur überflüssig, sondern sogar gefährlich solche - teilweise vollkommen willkürlichen - Abgrenzungen sein können, ist jeden Tag zu erleben.

Deswegen aus aktuellem Anlass doch noch ein weiteres Beispiel, wohin solche Definitionen zur Ab- und letztendlich Ausgrenzung führen. 

Die Diffamierung von Homosexualität und die Gewalt ggü. Schwulen und Lesben nämlich, die zeigt, was passiert, wenn die Gesellschaft etwas als „abnormal“, widernatürlich oder pervers definiert. Wenn Lesben zusammengeschlagen werden, weil sie sich in der U-Bahn küssen oder Schwule sich Anfeindungen ausgesetzt sehen, wenn sie, wie jedes andere verliebte Paar auch, Arm in Arm gehen, sieht man, was passiert, passieren kann, wenn man sich außerhalb des vermeintlich Normalen befindet. Also, warum dann innerhalb des jetzt schon sowieso nicht normalen BDSM wieder Definitionen und Abgrenzungen einführen? Wozu? Auf der einen Seite gegen Grenzen, gegen Ausgrenzen sein, auf der anderen Seite innerhalb der eigenen Gruppe wieder separate Grenzen einführen wollen.

 

Und nicht zu vergessen, dass die Gemeinschaft der BDSM’ler - wobei es diese als solche nicht wirklich gibt - bei weitem nicht die liberale und tolerante Truppe ist, wie man vielleicht gerne glauben möchte.

Auch innerhalb dieser Gruppierung gibt es Homophobie. Rein statistisch betrachtet ist das zwar zu erwarten, trotzdem bleibt es irgendwie trotzdem unverständlich, eigentlich unfassbar. Der bereits genannte Hetero-Superdom, der sich von „Schwuchteln“ abgestoßen fühlt oder Aussagen, dass Homos doch bitte schön ihre Neigung bei sich zuhause ausleben sollen, sind Beispiel dafür. Von Neigung zu sprechen ist hierbei übrigens grundfalsch, denn es ist eine sexuelle Orientierung, keine Neigung, was einen Riesenunterschied macht. 

Diese sogenannten Perversen, egal welcher Couleur, werden ausgegrenzt von sozialer Teilhabe, solche will man als der guter Teutsche (nein, kein Schreibfehler) bei sich - im Haus gegenüber, der Wohnung nebenan, im Dorf - schlichtweg nicht haben. 

Mir wäre es lieber, anstatt über neue, zusätzliche, eigene Definitionen - und damit wird automatisch abgegrenzt - innerhalb der BDSM’ler nachzudenken, wenn man besser gegen die bestehenden Grenzen und Vorurteile, auch gegenüber BDSM, in der Gesellschaft vorgehen würde. Und deswegen finde ich es wichtig, sich zu solidarisieren, gemeinsam sich gegen jegliche Diskriminierung zu wehren, anstatt neue Mauern in Form von Worten zu bauen.

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Söldner

Autor. Korrektor.

04.08.2019 um 09:51 Uhr

Ist das noch ein Beitrag, Drachenlady:, oder ist das schon ein Blog?  Dein Text ist  komplex, leuchtet nicht nur den DS-Bereich aus, ist auch ein umfassendes Statement zu "BDSM und Toleranz". 

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Nachtasou

Autor. Korrektor.

04.08.2019 um 15:33 Uhr

geändert am 04.08.2019 um 15:44 Uhr

Beste Drachenlady,

das war Dein Beitrag zum CSD. Und wie Söldner anmerkt, vom Blogformat.

Darin finde ich vieles, dem ich zustimme. Aber an manches Stellen rennst Du im Schwung über das Ziel hinaus. Da Du die „Mauern in Form von Worten“ ankreidest  (ein schöner Ausdruck übrigens), und darüber zu Deiner Zielaussage kommst, kann ich nur sagen: Das Ziel stimmt, der Weg nicht.

Der Reihe nach:

Dein erstes Argument ist: wir brauchen keine Begriffe, weil die Übergänge doch gleitend sind. Und warum überhaupt fragen und wozu.

1.) Stichwort Schubladen:

Auch unser Licht ist ein Spektrum ohne Grenzen, und dennoch unterscheiden wir Rot von Blau. Da, wo tatsächlich keine Grenzen sind, machen wir Schnitte. Einfach, weil es praktisch ist. Auch Schüler sind mehr oder weniger erfolgreich, und dennoch wird am Ende entschieden, wer den Abschluss bekommt und wer nicht. Praktisch ist auch, ein Auto zu bekommen, wenn man ein Auto will, und nicht mit einem Rollstuhl, Quad oder Fahrrad nach Hause geschickt wird, obwohl die ja auch Räder haben und ich mich damit fortbewegen kann. Definitionen haben zunächst das Ziel, sich auf etwas zu einigen, was ist, und was nicht ist, um überhaupt darüber reden zu können. Ohne Worte kann man sich überhaupt nicht austauschen. Mit jedem Wort (oder Begriff, für was es steht), sind zwangsläufig Grenzziehungen verbunden.

Vielleicht ist jeder mehr oder weniger homosexuell, aber jeder fühlt sich halt entweder oder. Oder gegebenfalls bi. Diese Selbstdefinition hat wahrscheinlich auch ihren praktischen Zweck. Auch in der eigenen Wahrnehmung gehen Schubladen auf und zu. Irgendwann bin ich halt ärgerlich, auch wenn dies bestimmt ein Kontinuum ist. Und: ich sage dann ja auch nicht, ich habe mehr oder weniger Gefühl, sondern ich will auch wissen, welches Gefühl ich mehr oder weniger habe. Geschirrwaschen ist auch etwas anderes als einen Orgasmus haben.

Da machst Du aber ein Fass auf. Und eigentlich wendest Du Dich gar nicht dagegen, sondern an das Normative, die Repression und Separation, die damit einhergehen kann.

Du schüttest mit dieser Rhetorik das Kind mit dem Bad aus, wenn Du das Fragen und  Begrifflichkeiten vom Tisch fegst, nur weil diese AUCH negative Konsequenzen nach sich ziehen können, eben die der Ausgrenzung. In einer Kontaktanzeige kann es durchaus praktisch sein, anzugeben, ob ich eine S/M-lerin oder eine D/s-lerin suche. Es vereinfacht das Leben, das damit noch schwer genug bleibt.

Also: Fragen, sich über Zugehörigkeiten Gedanken zu machen, darüber was ist und was nicht ist, klärt. Und macht Austausch erst möglich. Auch im Privatesten übrigens. Denn auch wenn Du Dich mit Deinem Partner verlustierst, und gerade auf Akzeptanz der Öffentlichkeit scheißen kannst, werden Worte und Fragereien am Küchentisch morgens und selbst im Bettgeflüster nicht entbehrlich.

2.) Es gibt zudem Orte und Zeiten für Fragereien und Wortgeklimper und solche, wo dies nicht passt. Im öffentlichen Austausch passt es, find ich. Aber ich erlebte in anderen Foren den Reflex, dass dies den Spaß verderbe und das Schöne zerredet würde. Aber hey, hier ist ein Forum. Der wirkliche Spaß findet hoffentlich nicht auf dem Marktplatz statt, sondern anderswo. Fragen und Diskutieren ist Kopfsache, den Bauch streichelt man anderswo und anderswie.

Jetzt kommt´s: Der Austausch hat Konsequenzen. Du sprichst Pathologisierung an. Da will ich eine kleine aber wichtige Korrektur anfügen zu Deinem Text. Nach ICD gelten wahrscheinlich die wenigsten BDSM-er „krank“. Die bdsm-geneigte Sexualität ist nicht gelistet. Von Krankheitswert ist sie dann, wenn dies bei Betroffenen erheblichen Leidensdruck erzeugt.

Auch gilt: Krankheitsdefinition ist nicht gleich Stigma. Sie eröffnet gegebenenfalls auch den Zugang zum Versicherungssystem. Wenn sich jemand kaputt säuft, hat er, wenn er will, ein Anrecht auf Versorgung. Entzüge und Behandlung könnten sich die meisten nämlich sonst gar nicht leisten.

Auch in der Fachwelt wir darüber gestritten, was denn krank und gesund ist, weil alle wissen, dass dies eigentlich ein Kontinuum ist. Ab wann hab ich denn zu hohen Blutdruck? Wenn ich betroffen bin, ist es mir schon recht, dass ich ein Versicherungsfall bin und in der Bundesrepublik versichert bin.

Aber ich ahne, was Du eigentlich meinst. Dennoch halte ich diese kleine Ergänzung für wichtig. Damit auch diese Perspektive nicht unter den Tisch fällt.

BDSM-er sind in einer recht luxuriösen Lage. Im Ggs zu Homosexuellen können wir unser So-Sein privat leben. Das konnten Homosexuelle nicht, weil schon der stinknormale Lebensalltag und Partnerschaft verhindert war, schon beim gemeinsamen Mietvertrag wurd´s anrüchig. BDSM-er sind allein in ihrer Sexualität betroffen, die sie ja nicht zu Markte tragen müssen. Da kann man leicht auf öffentliche Akzeptanz pfeifen. Deswegen wundere ich mich, dass BDSM-er auf dem CSD mitdackeln. Ich glaub auch nicht, dass BDSM-Sexualität an sich als anstößig gesehen wird, sondern dessen öffentliche Platzierung. Das gilt aber für jede Art der Sexualität. Ich würde mich auch fragen, warum ein Lehrer meines Kindes mit dem Schild um den Hals zum Unterricht kommt, auf dem „Ich bin Swinger“ steht. Das gehört nicht dorthin und die Kinder wollen´s gar nicht wissen. Er soll unterrichten und seine Bekenntnisse anderswo kundtun. Das gilt auch für politische und religiöse Bekenntnisse. Sonst wird der Unterricht zur Zwangssituation für Schüler, denn es besteht Schulpflicht. Wer dagegen auf eine Fetisch-Party geht und sich dann über Fetischisten beklagt, befindet sich umgekehrt seinerseits am falschen Ort. Diese Form der Separation halte ich für vernünftig.

3.) Da Du meinst, BDSM-er seien nicht anders als Nicht-BDSM-er, warum wunderst Du Dich, dass unter ihnen genauso gehauen und gestochen wird wie überall? Das könnte man auch als Ausweis von Normalität sehen.

Das Hauen und Stechen und Desorientierung hat Hochkonjunktur. Wenn ich vor 20 Jahren im Internet unterwegs war, gab´s gepflegte Technik-Foren. Inzwischen ist eine große Dieter-Bohlen-Fraktion überall. Sie leugnet Fakten, sie schimpft und reduziert auf Daumen hoch-und-runter. Auch in der Politik wird Darwin und Klimawandel als wissenschaftliche Spinnerei abgetan. Braucht man alles nicht, … Insofern hat das Eingangsposting auch einen wahren Kern. Diese  Beliebigkeit ist nur vordergründig tolerant und befreit lediglich vom Denken. Deswegen ist Abgrenzung kein Elitarismus, sondern Selbstschutz.

Ja, ich darf fragen, was BDSM ist, warum ich was bin und was nicht, auch wenn das der Desorientierung eine Spaßbremse sein mag.

Die Aufweichung und Desorientierung hat Methode, … aber darüber will ich jetzt nicht schreiben, das würde dann politisch und noch langweiliger. 

 

Dein Appell, dass sich verschiedene Untergruppen nicht auch noch selbst zerhacken, möchte ich gern unterschreiben. Und dass Worte Waffen sein können, auch. Das sind aber vor allem Stil-, und weniger Sachfragen. Deswegen auf Sachfragen zu verzichten, ist zuviel des Guten.

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04.08.2019 um 23:48 Uhr

geändert am 05.08.2019 um 08:06 Uhr

Interessant zu lesen was ihr alles schreibt. 

BDSM wird auch: parafile lovemap genannt. BDSM ist keine Krankheit aber eine Paraphilie.

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Jona Mondlicht

Autor. Korrektor. Teammitglied.

04.08.2019 um 23:48 Uhr

geändert am 05.08.2019 um 08:06 Uhr

Beitrag bearbeitet. Werbung entfernt.

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Drachenlady

Autorin. Förderer.

09.08.2019 um 02:35 Uhr

Hallo lieber Nachtasou,

danke, dass Du Dich so ausführlich mit meinem Beitrag befasst und auseinandergesetzt hast (nein, keine Ironie, hab' mich wirklich gefreut). 

1. Erstmal ein klares „Ja, ertappt!“, wir kamen am Samstag tatsächlich nach der CSD-Demo in Nürnberg heim, dann Schattenzeilen gelesen und stante pede Beitrag geschrieben.

Wir sind bei der Demo auch ein Stück weit - in strömendem Regen mitgedackelt (passend zu unseren kurzen Füßen).  Warum? Weil wir es für wichtig erachten, für die Rechte der Unterdrückten zu demonstrieren (jetzt klinge ich schon wie Che), um durch eigene Präsenz Solidarität zu zeigen und dabei zu helfen, einen eindrucksvollen Demozug mit vielen Teilnehmern zu bilden, auch wenn man selber auf den ersten Blick nicht unmittelbar betroffen ist.

Es geht bei diesen Demonstrationen mittlerweile nicht mehr ausschließlich um Rechte von Homosexuellen, sondern generell um Diskriminierung in diesem Themenumfeld, auch hinsichtlich sexueller Neigungen. Deswegen war zum Beispiel die BDSM-Jugend mit engagiert und Leder-Fetischisten und Pet-Play-Fans und und und …

Ein bunt gemischtes Volk gegen Intoleranz und Hass, gegen Vorurteile, für Aufklärung und trotzdem mit viel Spaß dabei.

2. Beim Thema ICD-Code bin ich allerdings anderer Meinung.

Nach ICD-10 / Kapitel V - 'Liste der psychischen und Verhaltensstörungen' werden mit dem Code F65 die Störungen der Sexualpräferenz (=Paraphilie) definiert, neben Sadomasochismus mit Code F65.5 zum Beispiel auch Pädophilie mit Code F65.4.

Dass seit 2013 diese Paraphilien nicht mehr grundsätzlich als krankhaft einzustufen sind, sondern nur dann, wenn bei den Betroffenen mit Leidensdruck einhergehend, ist eine zulässige Interpretation, welche einem behandelnden Arzt den Ermessensspielraum vorgibt, den er nutzen kann, aber nicht muss.

Die Abschaffung dieser diskriminierenden Einstufungen von BDSM, Transvestismus & Fetischismus als Persönlichkeitsstörung war übrigens auch eine von vielen Forderungen auf etlichen CSD-Demos. Und hier schließt sich der Kreis wieder.

 

Und das nächstemal starte ich einen Blog, versprochen!  

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