Hallo 11chen,
ich würde - bezogen auf Kurzgeschichten! - beide Varianten gelten lassen. Und denke, dass es auf die Handlung ankommt.
Beispiel:
»Happy Birthday« von poet
Der Protagonist bildet sich eine bestimmte Situation ein, wartet auf sie und dann, als es (seiner Meinung nach) soweit ist, werden er und die Leser überrascht. Eine Entwicklung erfährt der Protagonist nicht, denn die Geschichte endet, bevor er Lehren ziehen oder in irgendeiner Weise die Geschehnisse reflektieren könnte. Das müssen (können) die Leser im Anschluss selbst.
Dagegen:
»Wildgulasch« von Jona Mondlicht
(Man verzeihe mir, dass ich nun meinen eigenen Text nehme, aber er fiel mir verständlicherweise als erstes ein.)
Der Protagonist gerät in eine Situation, die er meistern muss, durch die sein Verhalten auf den Prüfstand gerät und durch die er am Ende eine Lehre zieht. Er erfährt eine Entwicklung.
Beide Texte sind zweifelsohne Kurzgeschichten. In beiden Texten stehen auch Protagonisten aktiv im Mittelpunkt. Der eine entwickelt sich nicht (oder besser: erst nach dem Ende der Geschichte), der andere erfährt im Laufe der Handlung eine Entwicklung.
Ich würde mich da auch nicht so in Theorien versteigen. Wichtiger ist mir, dass die Handlung einer Geschichte funktioniert, etwas erzählt, Spannung aufbaut und löst. Wenn die Protagonisten den ihnen zugedachten Part dabei erfüllen, hinterfrage ich nicht, ob sie sich nun in irgendeiner Weise entwickelt haben oder nicht.
Klassisch wäre zum Beispiel auch der alte Mann, der am Bahnhof auf einer Bank sitzt und Passanten beobachtet. Während die Geschichte von einem bunten Geflecht aus Gesehenem und Gedachten lebt, erfahren weder der alte Mann noch die Passanten irgendwelche tiefgreifenden Entwicklungen.
Bin auf weitere Meinungen gespannt.
Viele Grüße
Jona