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Donna Leon über eine gute/schlechte Entwicklung

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Schattenwölfin

Autorin. Korrektorin. Förderer.

19.05.2023 um 06:44 Uhr

geändert am 19.05.2023 um 06:48 Uhr

Denkt Euch bitte ein Fragezeichen hinter gute/schlechte in der Überschrift meines Beitrages!

 

Ein Denkanstoß für Schreibende/Lesende/Kommentierende.

 

In meinen Augen ist es ein Unding, nachträglich in Werke einzugreifen. 

Nicht nur, dass der historische Kontext verdrängt wird, für mich auch eine Verletzung der Rechte am eigenen Text. 

 

Viele Grüße 

Wölfin

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Nachtasou

Autor. Korrektor.

19.05.2023 um 20:53 Uhr

Ich hab gerade nachgedacht, aber nicht so viel, fürchte ich. Spontan eher:

 

Ich will den Aufreger nicht kleinreden, wenn es so ist, wie die Autorin befürchtet.

 

In Kinderbüchern überdauern halt echte Schoten, weil sie auch das widerspiegeln, was jeweilige Zeitgenossen für kindgerecht hielten und halten. Wäre es auch Zensur, den Struwwelpeter ganz aus dem Regal verschwinden zu lassen? (Ich musste dieses perverse Buch der schwarzen Pädagogik noch lesen). Die Grimms haben ihre Märchen auch nicht für Kinder gesammelt. Heute „schont“ man Kinder eher (wofür sie sich heimlich rächen *g).

Ob z.B. das N-Wort im Original bei Lindgren so überhaupt vorkommt, weiß ich nicht. Die Konnotationen bei Worten sind ja in verschiedenen Ländern und Sprachen unterschiedlich, und allein durch Übersetzung wird ein Werk so oder so verändert. Nur weiß es der Autor nicht, weil er es selbst nicht beurteilen kann. Goethe- und Lutherausgaben in den Bücherschränken sind stellenweise weitab von dem, was die beiden im Original aufs Papier brachten oder diktierten. Da wird seit Jahrhunderten immer wieder zeitgenössisch eingegriffen. Sonst könnte es heute kaum jemand noch lesen und verstehen. (Allerdings bleibt sowas transparent).

Vermutlich sind es nicht einmal die Verlage, die von sich aus zur Tat schreiten, sondern Kunden. Ungünstigerweise wohl die, die überhaupt noch Kinderbücher kaufen und vorlesen; und sowieso immer alles besser wissen.

Muss denn die Leon fürchten um ihre Krimis? Ich habe den Spiegel-Artikel nicht gelesen, wie man merkt, aber ich halte ihre Empörung und historischen Beispiele für viel zu hoch gegriffen. Damit macht sie sich selbst zum Teil einer Empörungskultur ohne jeden Maßstab.

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Maxim Guillaume

Autor. Förderer.

28.05.2023 um 09:10 Uhr

geändert am 28.05.2023 um 11:31 Uhr

Ich finde es schade, dass so wenig Menschen im Stande sind einen Text in seinem historischen Kontext zu lesen.

 

Das zu können ist aber auch keine Selbstverständlichkeit, denn das setzt sowohl Textanalyse, Textverständnis und die Kenntnis des historischen und kulturellen Kontextes voraus. Das kann man einfach nicht von einem breiten Publikum erwarten. Es gehört zum gesellschaftlichen Konzept der Arbeitsteilung, dass nicht Jede und Jeder ein Literaturwissenschaftler sein kann.

 

Ich persönlich bin ein großer Fan von kommentierten Fassungen gewisser Klassiker. Gerade weil ich an den Segen der Arbeitsteilung glaube. Genauso wie ich nicht auf die Idee käme meinen Tisch selbst zu zimmern oder mein Haustier zu verarzten, greife ich bei Texten aus anderen Kulturen und Epochen auf die Kenntnis von Jemandem zurück, der sich lange und eingehend mit dem Text, mit der Kultur und mit der Epoche beschäftigt hat.

 

Ich teile diese Meinung nicht oft, denn sie eckt an: Ich glaube zu verstehen, warum sich Einige so sehr sträuben kommentierte Texte zu lesen. Sie glauben, dass nur weil sie die Texte lesen können, sie diese auch verstehen. Mir fehlt für solcherart Selbstüberschätzung das Verständnis.

 

Mir fehlt da übrigens sowohl die Geduld/Verständnis für die Flachpiepe, die auf Basis von Kiplings Djunglebook und dessen hoffnungslos überholten Ansichten seinen Rassismus rechtfertigt als auch für die Woketrulla die alles aus der Bibliothek holen will, was dem Zeitgeist nicht mehr entspricht, inklusive diesem Mahnmal britischer Kolonialliteratur ohne dessen Verständnis wir das Vereinigte Königreich im Allgemeinen oder den Brexit im Besonderen nicht verstehen können.

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28.05.2023 um 19:43 Uhr

Als Alternative zum direkten Abändern des klassischen Textes greifen Verlage jetzt auch auf Warnhinweise zurück, die sie ihren Büchern hinzufügen.

"Vom Winde verweht" ist hierfür ein Beispiel. Bei der neuen Edition ist zu lesen:

"'The text of this book remains true to the original in every way and is reflective of the language and period in which it was originally written.

 

'We want to alert readers that there may be hurtful or indeed harmful phrases and terminology that were prevalent at the time this novel was written and which are true to the context of the historical setting of this novel.'"

 

Was würde wohl Frau Mitchell dazu sagen?

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08.08.2023 um 14:02 Uhr

Jetzt hat es mit Raymond Chandler auch einen von meinen Lieblingsautoren erwischt. Auf einem konservativen Blog heißt es hierzu ironisch:

„A few days ago, it was revealed that Vintage publishers had placed a "trigger warning" on a number of classic 20th-century novels.  Among them was Raymond Chandler's The Big Sleep, his 1939 debut novel introducing the private detective Phillip Marlowe.  Evidently, Marlowe used terms other than "person of color"; failed to utilize the proper pronouns; and identified some characters as "women," whatever that is.“ (J.R. Dunn, „The big woke“, American Thinker, August 7, 2023)

 

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