Die Persönlichkeit eines Menschen drückt sich in allem aus: wie er eine Wand streicht, einem anderen die Hand gibt, ... und dann wohl auch darin, wie er einen Text fertigstellt. Da man eine Persönlichkeit kaum ändern kann, außer durch gewollte und ungewollte Lebensereignisse, heißt es: damit leben.
Ich habe die Geduld nicht, einen Text ewig anzustarren. Dann bleibt vieles liegen, weil mich in der Zwischenzeit schon wieder anderes mehr interessiert. Unter den Konsequenzen leide ich dann auch. Mein Bestreben ist zunehmend: Entschnörkeln. Und doch gehen immer wieder die Pferde durch.
Für dieses Anstarren hätte ich zwei Rezepte:
1.) Schaff Dir Kinder an. Wenn Du über Jahre jeden abend Geschichten erfinden musst, egal in welcher Stimmung Du bist, kommt ein gehöriger Schuss Pragmatismus hinein. Hauptsache, sie schlafen ein. Und einmal in der Woche darfst Du stolz sein, weil es eine wirklich gelungene Geschichte war, die dazu führte.
2.) Arbeite in einem Beruf, in dem Du viel schreiben musst. Bei mir sind es so zwischen 20 und 40 DIN-A4 Seiten in der Woche. Manches auch mit copy&paste, obwohl ich das hasse. Hilft aber nicht, weil die Dinger halt geschrieben sein müssen, egal wie. Das ist wie Schnellschach. Oder wie ein Langlauf, bei dem es ab Kilometer 10 nicht mehr auf Haltungsnoten ankommt, sondern nur das Ankommen zählt.
Mag sein, dass ich dadurch als «Autor» sowieso zerschossen worden bin. Aber ich nehme es nicht mehr so wichtig, weil der Faktor Zeit eine Restriktion ist, die im Hintergrund sowieso immer mittickt. In allem. Im Kunsthandwerk ist es auch keine Schande, wenn man noch Sägespuren im Holz findet. Oder Unebenheiten. Im Gegenteil, deswegen ist es Handwerk. Wer Klavierbauer ist, mag das anders sehen.
Zum Glück besteht eine bequeme Wohnung nicht nur aus Schimmel-Flügeln und Schleiflack.
Dann fällt mir noch etwas dazu ein, das kenne ich aber nur vom Hörensagen: Wenn ich selbst daran denke, werde ich immer blass vor Neid im Bereich des Schreibens. Im Arbeiten ist es dagegen eine Selbstverständlichkeit.
Das eine ist Effizienz. Siehe Pareto-Prinzip (!). Die Qualitätskurve konvergiert nach oben hin. D.h., irgendwann musst Du einen irren Aufwand betreiben für kaum sichtbare Zuwächse. Das ist irgendwann völlig uneffizient. Die Zeit ist besser investierbar. Das Ergebnis ist nicht viel Schrott oder Mittelmäßigkeit, sondern einfach «gut», aber nicht brillant; ein Optimum. Viel, viel Gutes (nix Schlechtes, nix Brillantes).
Das andere ist Disziplin. Oh wäre das schön, wenn ich mehr davon hätte!
Von Simmel las ich mal, und er war ein Bestsellerautor (leider unterschätzt), dass er täglich ein Schreibsoll absolvierte. Stur. Schon ganz früh morgens beginnend.
Mal auf meine bescheidenen Verhältnisse heruntergebrochen: 2 Normseiten pro Tag. Pillepalle. Macht aber pro Jahr einen 700-Seiten-Roman. (ha, ha). Da bleibt noch viel Zeit für das Herumpolieren an den Texten am Nachmittag oder bei Kinderlosigkeit vor dem Schlafengehen. Das ist graue Theorie, aber vorstellbar; mit Disziplin.
Anstarren ist sowieso nicht ergiebig, glaub ich. Das führt nur zur «semantischen Sättigung» (wenn Du z.B. 50 x das Wort Mond aussprichst oder liest, wird es immer fremder bis hin zur Sinnlosigkeit). Besser könnte sein, an mehreren Texten gleichzeitig zu schreiben und zu switchen, wenn es bei einem hakt oder die Augen tränen.