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Forum - BDSM - Ledersofa

BDSM, Fantasy, Kopfkino und Schubladen

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Söldner

Autor. Korrektor.

19.08.2022 um 17:22 Uhr

Allein in Deutschland gibt es im Baubereich über 30 000 klar definierte Regeln, Ausführungsbestimmungen und Richtzeichnungen des Bundes, der Länder, der Bahn, der Straßenbehörden. Die EU ist hier noch nicht enthalten. Gut, vielleicht stürzen bei uns auch deshalb selten Brücken zusammen, weil wir alles klar regeln.

Auch im BDSM herrscht Ordnung. Mit welchem Blick schaut ein Dom in die Welt? Wie verhält sich eine Sub? Wer trägt welche Kleidung zu welchem Anlass auf? Alles ist klar definiert, bezeichnet und benannt. Die freche Sub ist eine Brat, ich kürze das hier schnell ab, jeder kann tausend sadomasochistische Definitionen in den BDSM-Lexika nachlesen.

Mir geht es um BDSM-Geschichten. Für mich sind Geschichten einfach nur Geschichten. Das klingt jetzt banal, ist aber so. Geschichten sind für mich Träume, Kopfkino, Fantasie.

Kann man Literatur kategorisieren? Ich frage nicht die Germanisten, die zählen mir sofort Genres auf. Was reitet uns, BDSM, Literatur, Kunst und somit Leben in Formen zu pressen?

Ich bin an Eurer Meinung interessiert. Was denkt ihr darüber?

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Devana

Autorin. Korrektorin. Teammitglied.

19.08.2022 um 17:44 Uhr

Bester Söldner,

 

jetzt musste ich deinen Beitrag dreimal durchlesen, damit ich die eigentliche Frage verstehe. Ob mein Verständnis richtig liegt, weiß ich nicht, aber ich habe sie für mich so interpretiert: Warum schreibt, liest, erzählt, erfindet, sieht, hört der Mensch gerne Geschichten? Ob es sich dabei um BDSM-Geschichten handelt, ist da eher sekundär.

 

Ich denke, Geschichten sind etwas zutiefst Menschliches. Man könnte vielleicht sagen, wir lieben es, da wir es können. Die Sprache gibt uns das nötige Werkzeug dazu. Selbst Menschen, die vielleicht nicht gerne lesen, sehen sich dafür lieber Filme an. Oder gehen ins Theater. Oder hören Hörbücher. Alles Geschichten.

 

Es scheint, als würde unserem Gehirn unser eigenes kleines Leben nicht ausreichen. Wir lieben es, in andere Welten, in andere Personen abzutauchen. Die meisten konsumierend, ein paar auch erschaffend (in unserem Fall: die Autoren).

 

Das ist etwas Wunderbares. Wie träumen im Wachzustand. Und zumeist etwas logischer - und da helfen uns auch wieder die Kategorien und Schubladen. Das Gehirn ist auch nur eine Art Festplatte und benötigt ein wenig Struktur beim Abspeichern.

Wahrscheinlich helfen uns auch Geschichten, Neues zu lernen. Egal ob schnödes Wissen oder auch auf emotionaler Ebene.

 

Es mag sein, dass ich deine Frage falsch interpretiert habe, aber das waren meine ersten Gedanken dazu.

 

Gruß

Devana

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Tony Baigu

Gelöscht.

19.08.2022 um 19:46 Uhr

Die Menschen tun es. Imgrunde ein psychischer Defekt des Menschen, alles und jeden in Schubladen zu stecken. Aus einem einfachen Grund: er würde sonst hoffnungslos verzweifeln, so glaubt er. Dabei tut er damit nur eins. Er nimmt sich seine grenzenlose Freiheit. Ich versuche schon ewig bewusst gegenzusteuern. Vorurteile lehne ich aus Prinzip ab. Meine Urteile über Menschen und die Welt bilde ich mir stets eigenständig. Denn es ist meine Welt, nicht die anderer. Gebe zu, das ist keineswegs immer einfach oder bequem. Und es stößt oft auf Widerstand. Na und, das ist nichts Schlechtes. Die ganze Welt besteht aus Widersprüchen, sie sind Grundlage jeder Entwicklung.

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Queeny

Förderer.

19.08.2022 um 20:59 Uhr

Ich sehe dass genauso wie Devana, habe die Frage von Söldner auch so interpretiert.

Wie schön ist es doch in Geschichten einzutauchen, man kann in jede Rolle die einem gefällt schlüpfen.

Kann der Bösewicht oder der rettende Engel sein, es obliegt uns ganz alleine, wen wir verkörpern wollen. 

Deshalb liebe ich Bücher und Geschichten, es wird uns eine Welt eröffnet in der wir aus den Alltag entkommen können. 

Alle Autoren haben diese Macht uns zu fesseln, uns in eine Welt zu entführen, in der wir alles sein können.

Es gibt viele im Bereich BDSM, die gute Rollenspiele als Spielart bevorzugen, sie selbst bis ins kleinste Detail planen.

Es ist eine Gabe, eine Geschichte schreiben zu können, dafür verneige ich mich vor jedem Autor.

LG Queeny

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19.08.2022 um 21:33 Uhr

Nein,lieber Söldner,das klingt überhaupt nicht banal!

Geschichten sind Geschichten,genau.Reine Fiktion,Abstraktionen der Realität,zu der auch - so sehe ich das zumindest - bizarre Überzeichnungen wie Ns und Kv gehören. Alles ist Traum,nicht Wirklichkeit.Und damit grenzenlose Freiheit.

 

Herzliche Grüße

Magnus

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Yuria

Förderer.

19.08.2022 um 21:34 Uhr

Meines Erachtens ist unser Schubladendenken eine sehr natürliche Strategie unseres Gehirns, um uns nicht zu überfordern. Regeln und Rituale helfen uns bei der Orientierung. Menschen mit dem Asperger-Syndrom beispielsweise sind völlig vorurteilsfrei und häufig Meister im Kategorisieren und Sortieren. Allerdings betrifft das dann in erster Linie eine rationale und lösungsorientierte Ebene. Das ist allerdings nicht die, mit welcher wir „Otto-Normal-Menschen“ tagtäglich konfrontiert werden, dreht es sich doch bei uns viel mehr um unsere Mitmenschen, soziales Umfeld, Familie, vielleicht berufliche Interaktion mit anderen, das Umgehen mit und das Reagieren auf Emotionen, Fingerspitzengefühl, das Lesen zwischen den Zeilen. Ich denke für Kunst und Literatur gilt das ebenso, da sie uns auch oft auf emotionaler Ebene ansprechen.

 

Könnten wir all diese Reize und Informationen nicht ein Stück weit unwillkürlich vorsortieren, ginge es uns vermutlich auch wie den Asperger-Patienten und unser Hirn würde ungefiltert geflutet mit Eindrücken, die wir in der Masse gar nicht bewältigen könnten. Wir müssten alles und jeden zu jedem Zeitpunkt von Grund auf neu bewerten, neu kennenlernen. Klingt zwar blöd, aber das wäre unfassbar anstrengend. So können wir eine Person, die ersten Töne eines Liedes oder eben auch den Klappentext oder das Cover eines Buches erst mal in einen Ordner stecken, dem unser Unterbewusstsein schon die passenden Attribute und Regeln zugeordnet hat und können im Nachgang kennenlernen und ggf. feinjustieren, sollten wir uns dafür entscheiden, uns diese „Arbeit“ machen zu wollen.

 

Einerseits klingt das nach ganz vielen verpassten Chancen. Welches Potential hätte ein Buchladen, in dem es keine sortierten Regale und nur neutrale Buchdeckel gäbe? Zufällig zugreifen und lesen. Vielleicht würde man über etwas stolpern, das einen begeistert und das man sonst links liegen gelassen hätte. Das Risiko, etwas abzukriegen, was einen maßlos enttäuscht, wäre aber wahrscheinlich genauso groß.

Also möchten wir andererseits vielleicht auch gerade das: gezielt zugreifen bei etwas, von dem wir wissen, dass es uns ein bisschen glücklicher macht.

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high time

Autor.

20.08.2022 um 10:45 Uhr

Meine Geschichten gäbe es auch, wenn ich sie nicht aufschreiben würde. Sie sind in meinem Kopf. In meinem Denken, meinem Fühlen, meinem Trudeln, meinem Floaten. Sie kommen und gehen, sie verblassen und formen sich neu. Sie begleiten mich einfach. Es ist als wären in meinem Kopf zwei Bereiche. Den einen brauche ich, damit mein Leben funktioniert. Um abzuwägen, zu entscheiden, zu handeln. Den anderen, in dem meine Geschichten sind, brauche ich wahrscheinlich, damit der eine überhaupt funktionieren kann. Und manchmal halte ich inne, halte eine Geschichte da fest, wo sie gerade steht und schreibe sie auf.

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22.08.2022 um 14:38 Uhr

Lieber Söldner,

 

das ist ein böses Thema, finde ich, ganz böse  

Yuria hat es sehr schön ausgedrückt:

„Meines Erachtens ist unser Schubladendenken eine sehr natürliche Strategie unseres Gehirns, um uns nicht zu überfordern. Regeln und Rituale helfen uns bei der Orientierung.“

Bereits das Wort ist eine solche Schublade, denn es ist nur ein „Container“, mit dem das, was wir tatsächlich meinen, kommuniziert werden kann. Wortbedeutung ändert sich aber – wir hatten das in einem anderen Thread – was dann bedeutet, das die Benutzung von Containern voraussetzt, dass andere diesen Container genau so definieren. Das ist so gut wie nie der Fall, denn bereits kleinste Abweichungen produzieren große Missverständnisse. Um beim Thema zu bleiben: Ich mag Frauen in Lack, Leder und Stiefeln. Damit ist die Schublade klar, oder? Falsch, denn ich mag sie ohne Peitsche, ohne Fesseln, ohne dominantes oder wie auch immer Auftreten. Ich mag einfach nur dieses Outfit.

 

Thema Bücher und Geschichten: Da gibt es die Genres und sie gibt es nicht ohne Grund. Jemand, der Fantasie mag, wird keinen historischen Roman kaufen. Jedenfalls meistens nicht. Ich habe hier für eine Geschichte harsche Kritik geerntet mit der Frage, wo denn darin BDSM sei? Der Leser hatte Recht, nach seiner Fasson. Wir hatten unterschiedliche Vorstellungen vom Container "BDSM".

 

Das ist dann die Kehrseite dieser Schublade: Mit etwas, was nicht in unsere Kopfschubladen passt, kommen wir nicht so gut zurecht. Wir wissen nichts damit anzufangen. Es ist das Unbekannte, Ungewöhnliche, Überraschende. Es könnte gefährlich sein, verunsichert und man könnte ja einen Fehler machen. Das kann so weit gehen, dass man die Realität, wenn sie sich nicht in die im Kopf vorhandenen Schubladen passt, einfach ausblendet. Ich denke, wir erleben gerade (Nicht hier im Forum) ein Lehrbeispiel des Lebens um uns herum zu diesem Thema.

 

So ist themengebundenes Schreiben wie hier eigentlich der Versuch eine Quadratur des Kreises: Geschichten erfordern Fantasie, die Fähigkeit und den Willen, über die Schubladen hinauszuschauen. Es ist der Versuch, sich selbst Flügel anzuschnallen und abzuheben – doch nur in dem vom Lotsen vorgegebenen Flugkorridor. Schwierig.

Ich mag keine Schubladen, ich mag es darüber hinauszuschauen, zu gucken, was das Leben und die Menschen jenseits der Mauer noch zu bieten haben, neugierig, versucht unvoreingenommen und vielleicht, machmal, eine neue Schublade zu bauen. Aber das weiß, wer meine Geschichten liest *schmunzel*

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08.10.2022 um 10:45 Uhr

Die zentrale Frage ist für mich in dem Zusammenhang, "warum denke ich in Schubladen?" Zunächst, ich denke in Schubladen, aber versuche es immer wieder in Frage zu stellen. Beispiel: Wenn ich zu einen Fußballspiel oder ein Rockkonzert gehe habe ich wenig Stress, weil die Menschen sich relativ homogen verhalten (nach dem Spiel gehen auch alle. Im Weihnachtstrubel spüre ich eine sehr große Anspannung weil die Menschen sich (für mich) völlig unterschiedlich und für mich unberechenbar verhalten - was für Stress sorgt. Ich versuche aber innerlich, wohl als Neanderthalermensch zu kategerogosieren, "von wem geht eine Gefahr aus und wer ist ungefährlich?" Leider werde ich allerdings auch beim Fußballspiel, sei es durch Alkohol, sei es durch eine gewisse Gewaltbereitschaft, überrascht und Einer oder Mehrere verhalten dich eben nicht, wie ich es mir vorstelle. Zu den Geschichten: Ich habe wenn ich beginne eine Geschichte zu lesen eine Erwartungshaltung, also kategorisiere ich. Bin aber sehr froh, wenn die Geschichte eine Wendung hat - dass es eben nicht so weiter geht, wie ich dachte - das ist das Salz in der Suppe für mich. Ich kategorisiere auch Menschen, zum Beispiel, hier SM - Sub, Dom, Hetero, Homo, Sadist..., im Schach, Königsgambitspieler, Damengambitliebhaber. Aber das sind die Menschen nicht! Ich bin nicht einfach Sub und ich denke auch, keiner ist einfach Dom! Zunächst ist das Schubladendenken, zumindest für mich, erst mal notwendig, die Frage ist, bin ich in der Lage einen Menschen immer wieder neu zu betrachten zu beurteilen, wenn mir denn ein Urteil zusteht? Apropos, ich hab noch keinen Hund gesehen, der wie ein anderer ist - denkt bitte drann, wenn euch ne Wespe sticht - habt keine Angst, flieht nicht vor Wespen, denn alle anderen Wespen haben euch nicht gestochen, sind lieb und Opfer eures Schubladendenkens

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Sizilia Luber

Autorin.

21.10.2022 um 11:41 Uhr

Lieber Söldner,

das ist ein interessantes Thema. Ich habe mal gelesen, dass das Schubladen-Denken ein Überbleibsel des Steinzeit-Menschen ist. Menschen, ihr Verhalten und ihr Gefahrenpotenzial werden innerhalb von Sekunden eingeordnet, um das eigene Überleben sicherzustellen.

In der modernen Welt wird dieser Instinkt nur noch selten gebraucht, aber er ist vorhanden und den Menschen, die Dinge verkaufen wollen, auch wohl bewusst. Es wird ausgenutzt, um ein bestimmtes Publikum und seine Bedürfnisse anzusprechen.

Dieses Schubladen-Denken hört auch nicht auf, wenn Menschen ihre sexuelle Orientierung offenbaren. Blitzschnell wird man in eine Schublade einsortiert. Das ist praktisch, denn man kann dann Verhaltensmuster abspielen. Sub ist in bestimmter Form gekleidet und Dom reagiert darauf.

Vorurteilsfrei kann - diese These stelle ich frech in den Raum - niemand durchs Leben gehen. Es ist fortwährende Arbeit sich selbst dabei zu erwischen, Menschen in Schubladen einzuordnen und sich davon abzuhalten bzw. lange und mit vielen Blicken hinzuschauen und die feinen Nuancen zu sehen, die jeden auszeichnen - auch und gerade im bdsm-Bereich!

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