Diese Diskussion - so interessant sie sein mag - hat sich vom Ausgangsthread ein ganzes Stück weit entfernt. Das ist nicht weiter schlimm, aber ich möchte dennoch auf die ursprünglichen Fragen antworten, da ich erst jetzt dazu komme. Bitte diskutiert einfach um meinen Beitrag herum weiter...
Was mich jetzt interessiert ist, wie seht ihr BDSM (insbesondere die D/s-Beziehungs-Geschichte) und was ist Euer Antrieb sich damit zu beschäftigen?
Mein ganz persönlicher Antrieb? Die Antwort ist leicht und doch wieder nicht: Es ist einfach meine Neigung. Aber ich habe schon lange aufgehört, mich selbst zu analysieren, mich in irgendwelche Schubladen zu stecken oder mir anderweitige Gedanken über meine Neigung zu machen. Es ist meine Neigung. Wenn ich sie auslebe geht es meiner Seele gut. Lebe ich sie nicht aus, fehlt mir nach einer Zeit etwas im Leben. Sehr viel mehr muss ich darüber nicht wissen. Immer wieder lese und höre ich auch von Selbstzweifeln, die viele Leute nach dem Erkennen ihrer Neigung befallen haben. Eigentümlicherweise hatte ich diese nie. Im Gegenteil. Für mich war es eher eine Befreiung.
Die beispielhaften Antworten, die Moonbeast im Eröffnungspost geschildert hat, liest man so oder so ähnlich immer häufiger. Ja, ich gebe zu, dass solche Antworten bei mir manchmal Gedanken auslösen, die etwa so aussehen können:
- Die machen das nur, um ihr Sexleben etwas aufzupeppen. Die wahren Gefühle dahinter können sie gar nicht verstehen.
- Die machen das nur, weil es gerade modern ist.
- Die spielen nur.
Solche Gedanken mögen snobistisch, arrogant, überheblich oder was auch immer sein. Aber sie sind da. Die eine oder andere Frage löst dann noch ein Lächeln bis Grinsen aus. Oder ein Augenrollen.
Und wenn wir beim Thema Definitionen sind: Hier ist es wirklich ein Augenrollen, wenn jemand intensiv darüber nachdenkt, ob sie jetzt eher eine Brat oder eine Little ist, aber mit keinem Wort die Gefühle schildert, die sie hat.
Noch zu den drei Fragen:
- Was suchst Du in einer D/s Beziehung, was eine "normale" Beziehung Dir nicht bieten kann?
Eine tiefe innerliche Befriedigung. Das Gefühl von Ankommen, Zuhause sein.
Darüber hinaus ist es wirklich sehr erfüllend, einen Partner zu haben, mit dem man so viel teilt. Ich könnte mir vorstellen, dass es bei anderen Themen (nehmen wir z.B. Briefmarken sammeln oder Extremsport) genauso ist. Bei uns ist es eben die Neigung.
- Was unterscheidet Dich als Sub/Sklavin von einer Freundin die gerne ihren Freund umsorgt und für ihn da ist?
Oh, vieles. Unbestritten spielt hier die sexuelle Facette eine große Rolle. Es erregt mich nicht unbedingt, meinen Partner zu umsorgen. Ich mache es dennoch gerne, um ihn eine Freude zu bereiten. Genauso umsorgt er aber auch mich. Es erregt mich jedoch sehr, auf Anweisung oder unter Zwang zu Diensten zu sein. Und es erregt mich um ein Vielfaches, einfach benutzt zu werden.
- Warum glaubst Du war BDSM lange Zeit als "krank", "pervers" oder "sittenwidrig" eingestuft?
Ach, das ist einfach eine lange geschichtliche Entwicklung. Gut möglich, dass dies in 50 Jahren ganz anders aussieht. Hat man früher alle Themen rund um Sex gemieden (aus traditionellen und religiösen Gründen), ist das schon erheblich offener geworden. Beim Thema BDSM wird sich da auch noch einiges ändern.
Ich bin gespannt, wie sich die Vereinbarkeit von Feminismus und BDSM entwickeln wird. Die klassische Feministin hat ein Riesenproblem mit BDSM. Ich selbst sehe das sehr entspannt. Für mich ist Feminismus, dass ich selbst entscheiden kann, wie ich leben möchte, ohne mich nach gesellschaftlichen Zwängen richten zu müssen. Und so ordne ich mich in meiner Beziehung unter und leite dennoch mein eigenes kleines Ein-Frau-Unternehmen.
Kleine Randbemerkung:
Mir war bisher gar nicht bewusst, dass ich nur 0.1 Punkte von der Pädophilie entfernt bin...
12.08.2019 um 22:13 Uhr
geändert am 12.08.2019 um 22:15 Uhr
Beste Drachenlady,
Das mit dem ICD (dem Internationalen Klassifikationssystem von Krankheiten) hat sich ja erledigt. In der aktuellen Version (11) wird die hier angesprochene Kategorie gestrichen sein, soweit das Verhalten auf Konsens beruht (Sadomasochismus). Ein paar skandinavische Länder waren schon vorgeprescht gewesen. Da werden manche erleichtert sein.
Ein Wermutstropfen dabei ist, vermute ich, dass es deutlich weniger empirische Arbeiten geben wird zu BDSM-Belangen als in den vergangenen Jahren. Denn eines sollte auch nicht vergessen sein: nicht wenige Argumente für die Streichung stützen sich gerade auf diesem besseren Verständnis und nicht auf Meinungen, überholten Theorien und Vorurteilen.
Mit dem Christophers Street Day hast Du mich aber ertappt, Drachenlady. Denn natürlich kann man auf einer Demo mitgehen (nicht mitdackeln, sorry), auch wenn man nicht selbst betroffen ist, nämlich solidarisch. Mein Respekt also an Dich.
Aber gerade das Nicht-Betroffen-Sein war Ansatzpunkt meines obigen Beitrages. Mir kommt es dabei auf das Selbstverständnis an; neben solidarisch gibt es in dem Fall eben auch das Moment der fälschlichen Selbstveropferung.
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