Die Nähe. Es gibt kaum ein Wort, welches mehr Ambivalenz ausübt. Es muss in einem Kontext gestellt werden, um es bewerten zu können. Ich hasse es, wenn mir Nähe, die ich nicht empfinde, aufgedrängt wird. Nähe, sowohl körperliche, wie auch emotionale, muss sehr freiwillig entstehen. Ich mag nicht von vielen Menschen angefasst werden, oder dass in meinen Individualabstand eingebrochen wird. Nähe ist bei mir etwas sehr exklusives. Vor allem körperliche Nähe. Jeder kennt das Gefühl, wenn er in einem Bus steht es sehr eng zugeht und man fremde Körperteile am eigenen spürt. Oder Menschen, die sehr übergriffig agieren und einem ständig zu nahe treten.
Selbst bei meinem Partner kann ich körperliche Nähe nicht immer ertragen. Gerade beim S/M nicht. Kuscheln, mitten in sadistisch geprägten Szenarien bringt mich eher raus.
Es gibt aber eine Nähe, für die ich die gesamten Interaktionen überhaupt betreibe. Es ist die köstlichste Nähe, die Himmlische. Die nach dem Sex. Es gibt keinen Moment, wo ich mich mehr im "Wir" gebettet fühle, so sicher, ohne Zweifel, so unglaublich nah, wie die wunderbaren Minuten nach dem Sex.
Vielleicht die einzige Zeiten in meinem Leben, in denen ich niemals hadere. Alle Mauern sind eingerissen und Nähe wird greifbar.
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13.01.2015 um 14:24 Uhr
Manche hab ich schon erstaunt damit, noch nie aber habe ich näher darüber nachgedacht, warum es so ist: Ich weiß immer die Augenfarbe eines Menschen, mit dem ich sprach. Selbst dann, wenn sie schwer zu definieren ist: Es gibt Augen, die haben Bronze- und Brauntöne in sich, manche grünen Augen haben ein wenig Gelb, manche blauen Augen haben einen hellen Ring, selbst wenn sie eher dunkel sind und manchmal, selten, treffe ich so dunkelbraune, fast schwarze Augen, dass ich etwas länger hinsehen muß, bis ich es fassen kann. Die schwierige Frage, ob ich meine Augen, wenn ich zwei verschiedenfarbige hätte – denn auch das kommt vor – wohl verschiedenfarbig schminken würde, habe ich noch nicht entschieden.
Ich mag gern Augenkontakt herstellen, halten, spüren. Es gibt ein Spiel: „Wer schaut als erstes weg?“, das ich normalerweise gewinne.
Natürlich findet ein sehr großer Teil der nonverbalen Kommunikation mittels Mimik und Gestik statt und sicher nutze ich all diese Mittel, wie jeder, unbewußt und effektiv. Dennoch messe ich dem Augenkontakt eine andere, bewußtere und größere Nähe zu, als jede bezugnehmende oder imitierende Geste oder Mimik es vermag. Selten spreche ich mit Menschen, die den Augenkontakt meiden. Oft sind diese unsicher, unter Umständen nett – dennoch fällt mir ein solches Gespräch sehr schwer. Wer die Worte, die er sprechen will, an der Decke oder dem Fußboden oder womöglich an der Wand hinter mir abzulesen scheint, ist mich jedenfalls schnell los.
Augen sind für mich ein wenig wie der Horizont, wo sich Erde und Himmel berühren: Körper und Seele scheinen sich ganz nah. Sie lächeln, sie weinen, sie sind schreckgeweitet oder schläfrig halbgeschlossen, mit stecknadelkopfgroßer Pupille im gleißenden Licht oder schwarzen Seen bei Kerzenschein.
Ich mag Augen sehr.
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