Auch wenn es jetzt vielleicht einige schockiert:
Sucht man in der Vergangenheit eines dominanten oder devoten Menschen nach Schlüsselerlebnissen, die seine „Paraphilie“ erklären, wird man sicher etwas finden. Irgendeinen düsteren Schatten der menschlichen Seele, irgendein prägendes Ereignis wird sich sicher finden lassen. Das ist ein obsessiver Spleen der Psychologie und es lässt sich über Wertigkeit und Sinn stundenlang hervorragend streiten. Meiner persönlichen Meinung nach, gibt es eine klassisch genetische Veranlagung, ebenso wie eine erworbene. Ich gehöre zu den Klassikern, weil ich es so sehe, obwohl meine Geschichte beide Thesen sowohl unterstützen, als auch widerlegen könnten.
Ich wuchs behütet aber bescheiden in einer konservativ anmutenden Familie auf. Mein Vater brachte als Gärtnermeister das Geld nach Hause (meine Mutter arbeitete nur ab und zu auf geringfügiger Basis), aber es gab grundsätzlich immer „unser“ und nicht „meins“. Mein Vater ist ein religiöser Fanatiker, noch dazu leicht psychisch gestört. Dieser Umstand, ihre harte Kindheit und die schwere Rheumaerkrankung meiner Mutter sorgten dafür, dass meine Mutter dem Alkohol sehr zugetan war. Ich hatte schlimme Zeiten in meiner Kindheit, bekam aber immer reichlich Liebe und Zuspruch. Mein Vater war erzieherisch quasi nicht präsent (ja, liebe Psychologen, da erklärt sich mein Hang zu älteren Männern ), aber ich wurde trotzdem sehr geliebt und beschützt.
Als ich sieben Jahre alt war, nahm meine Mutter einen Job als Putzfrau in einer Schule an. Sie freundete sich mit einer Kollegin an, die sie auch häufiger besuchte. Irgendwann nahm sie mich mit. Ich erinnere mich noch mit Grauen an den Mann der Freundin, der ständig besoffen und verwahrlost in einer kleinen Kammer hauste. Dann lernte ich den Sohn der Freundin kennen, weil selbige ihren Spross als extrem kinderlieb anpries. Diese Kinderliebe bekam ich bald zu spüren. Als er von meiner Leidenschaft zu „Nena“ erfuhr, versprach er mir ein Autogramm gegen einen kleinen Gefallen. Da ich meiner Mutter die Wahrheit verschwieg, weil der junge Mann mir gedroht hatte, vermutete sie als Grund den besoffenen Mann der Freundin. Ich weiß nicht, wie oft der Missbrauch geschah, aber irgendwann brach der Kontakt ab.
Als ich in die Schule kam, kam das Thema im Unterricht auf einen Exhibitionisten, der in unserem Stadtteil gerade sein Unwesen trieb und die Lehrerin fragte, ob auch Schüler betroffen seien. Darauf deutete ich mein Erlebnis an und die Lehrerin informierte meine Mutter. Ich erzählte nach einigen Nachfragen bereitwillig was geschehen war. Meine Mutter erstattete Anzeige. Das einzige was mir später wirklich Probleme bereitete, war die Aussage bei der Polizei. Das Erlebnis auszusprechen war mir peinlich und die Beamtin war ein grober Klotz und machte sich noch über mich lustig. Seitdem habe ich ein Problem mit dem banalen Wort „Glied“…es will mir einfach nicht über die Lippen kommen und kommt mir unanständiger vor als „Schwanz“. Ob es mir jemand glaubt oder nicht, ich hatte danach keine Folgeschäden, außer einem kurzzeitigen Handwaschzwang. Ich konnte jedem davon erzählen, hatte keine Ängste oder Albträume. Mein Leben ging so weiter, wie es vorher gewesen war.
Ich war ein sexueller Frühzünder ( ich weiß, dass ehrgeizige Psychologen mir das als typische Alternativfolge eines Missbrauchs deuten würden), bekam schon mit 10 Busen und mit 11 meine Tage. Sex faszinierte mich von Anfang an. Ich legte auch schon früh Hand an mich, benutzte dafür Gegenstände und meine rege Fantasie. Die Fantasien blieben und sie hörten erst auf, als ich zu wissen bekam, was BDSM ist (). Ab da war es eine Variante, aber kein erotischer Zwang mehr, weil sich eine Welt der sexuellen Hingabe, des Schmerzes und der Kontrollabgabe auftat.
Warum also sollte es keine Menschen geben, denen dieses Bedürfnis angeboren ist, benutzt und gedemütigt zu werden? Oder die anderen Naturen, die das Bedürfnis verspüren zu kontrollieren und zu führen? Es würde zumindest erklären, dass ich nie Probleme mit dem Missbrauch hatte. Ich brauche Zärtlichkeit und Liebe genauso sehr, nur muss ich meine dunkle Seite ausleben, um die helle genießen und intensiv spüren zu können.
Vielleicht bin ich ein Opfer meiner „Traumata“, die gar keine waren. Vielleicht hat sich meine Psyche an die Misshandlung gewöhnt und an die Opferrolle, aber wozu etwas reparieren, was tadellos funktioniert und mich glücklich macht? Der Unterschied zwischen dem unschuldigen Kind von damals und der devoten Frau von heute ist folgender: Heute kann ich mir den „Täter“ aussuchen und mich ihm freiwillig hingeben. Auch wenn es pervers ist, ist es der Frieden meiner Seele und mein Glück. Psychologische Diagnostik ist eine Sache der „Möglichkeiten“ und nicht der Tatsachen. Meine Seele kenne ich am besten und ich nehme sie an, wie sie erschaffen ist. Ich will keine andere haben.