Lieber Söldner,
zu Deiner Steilthese: Das wäre ja traurig.
Nun darf man aber meines Erachtens nicht davon ausgehen, daß jeder Genuß, den man sich im Leben gönnt, gleich von reinem Hedonismus kündet. Wie der Wortbestandteil "-ismus" ja aussagt, ist hier von einem Prinzip die Rede. Somit ist der Hedonist nicht der, der sich mal etwas Angenehmes gestattet (hier und da mal eine Phantasie ausleben oder so), sondern einer, dem es das höchste Anliegen ist, stets seinen Genuß "an erste Stelle" (so die wörtliche Bedeutung von "Prinzip") zu setzen. Hedonismus ist eine extrem antisoziale, ich würde sogar soweit gehen zu sagen: asoziale, Haltung.
Dabei ist sie in allen Gesellschaftsschichten zu finden: Ich vergesse leider immer wieder den Namen dieser französischen Kokotte, die den Satz "Nach mir die Sintflut!" (Après moi le deluge!) geprägt hat. Das ist Hedonismus.
Und Deinen Protagonisten nehme ich auch so wahr: Keine Verpflichtungen im Leben, hier ein bißchen mit seiner Sklavin rumspielen, dort ein bißchen am kulturellen Büffet schnabulieren und sich dabei noch einbilden, man gehöre zur gebildeteren Schicht der "leaders of society", aber ansonsten keinen Beitrag zum größeren Ganzen leisten. In der Erzählung ist das gut und richtig, es wäre ganz unpassend gewesen, da noch eine Sozialkritik in die Geschichte reinzupressen (und vor allem, wer will hier sowas lesen? Ich gewiß nicht! ) Wäre Dein Protagonist allerdings ein Mensch aus Fleisch und Blut, ich würde ihn verachten.
Wem BDSM alles ist, der hätte einen – nach meinem Verständnis – recht trostlosen Lebensstil gewählt, denn der wäre wirklich im Hedonismus begründet. Man könnte es doch vielmehr genau umgekehrt sehen, und dann wird es doch erst richtig interessant: Mit BDSM nicht das Leben definieren, sondern es bereichern.
Soweit meine Küchenphilosophie für heute abend.
Noch einmal dank für die Geschichte, die ich gern gelesen habe.
28.10.2016 um 07:29 Uhr
geändert am 28.10.2016 um 08:05 Uhr
Willkommen auf den Schattenzeilen, Everyman!
Dank für Deinen Kommentar.
Er bringt mich ins Nachdenken.
An Hedonismus habe ich nicht gedacht, aber letztlich ist mein Protagonist strukturell als williger Mitläufer des Hedonismus veranlagt.
Was hat er denn gelernt? Konnte er aus sich die Kraft zu eigener Entscheidung zwingen?
Hat ihm jemand erklärt, dass der Hedonismus dieser Welt nicht für alle Menschen reicht?
Ich werte Hedonismus als ganz klare und brutale Zielrichtung, die mir von der Marktwirtschaft vorgegeben wird.
Habe Lust, kaufe, genieße, nimm mit, was du bekommst.
Funktioniere!
Das perverse daran ist, dass es funktioniert, vom Harz-Vierer bis zum Banker.
Hedonismus ist Barbarei, ganz korrekt.
Aber wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich mich frei davon?
Ich wage die Steilthese, dass BDSM seine Basis im Hedonismus hat. Sofern er das nicht wie im gesellschaftlichen Kontext auf den Knochen anderer Menschen tut, ist die Sache in Ordnung.
Everyman, Du treibst mich am frühen Morgen in die Philosophie.
Danke.
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