Triggerwarnung: Aha.
Gregor hat es schon kurz und für mich absolut treffend beschrieben. Ich möchte zu dem Thema aber noch ein paar weitere Aspekte formulieren.
Irgendwann in den letzten Tagen habe ich das erste Mal auf den Schattenzeilen überhaupt davon gelesen, letztes Wochenende in der Zeitung gleich das zweite Mal. Dort allerdings in dem Zusammenhang mit (Haut-)Krankheiten, die durch einen externen Trigger wie zum Beispiel bestimmte Lebensmittel ausgelöst werden können. Trigger, von denen man möglicherweise (noch) keine Ahnung hat, deren Wirkung vielleicht neu erforscht wurden und bei denen das Wissen um deren Existenz eventuell tatsächlich für Betroffene hilfreich sein kann.
Mit den hier diskutierten „Triggern“ bei Büchern, oder auch Filmen, habe ich so meine Probleme. Das erinnert mich mehr an die „Warnungen“ vor heißen Flüssigkeiten in Kaffeebechern. Frei nach dem Motto, konnte man ja nicht ahnen, dass das bestellte Heißgetränk tatsächlich heiß ist. Lässt sich aber prima Geld damit verdienen, wenn man den Vertreiber des heißen Getränks verklagt, falls der nicht explizit davor gewarnt hat. Das, was man im allgemeinen unter „gesundem Menschenverstand“ versteht, scheint nicht mehr gefragt.
Ich bin jedoch nicht der Meinung, dass die Gesellschaft als solche aktiv verdummt wird oder man ihr generell Selbstinformation nicht zutraut. Denn dazu muss man sich nämlich erstmal verdummen lassen - was aber zugegebenermaßen leider bei viel zu vielen Leuten bestens funktioniert. Ich fühle mich durch solche Hinweise nicht irgendwie gegängelt oder bevormundet, sondern schüttle maximal den Kopf oder mache mich - abhängig vom Thema - darüber eher lustig. Manchmal sind diese Warnungen schon so absurd, dass man nicht mal mehr weiß, ob man lachen oder weinen soll.
Tatsächlich glaube ich vielmehr, dass es das Verhalten eines stetig größer werdenden Teils der Gesellschaft ist, die Dingen wie solchen eigentlich völlig überflüssigen Warnhinweisen massiv Vorschub leisten. Aktionen von Leuten, die keinerlei Selbstreflexion besitzen und die stets alle anderen für persönlich erlittenes - manchmal auch nur vermeintliches - Ungemach verantwortlich machen, aber nie die Schuld bei sich selbst suchen.
Wie andere auch schon schrieben, wenn ich einen Roman von Stephen King kaufe, brauche ich mich nicht darüber zu echauffieren, keine Rosamunde Pilcher Schmachtfetzen vorzufinden und wenn ich ein Fachbuch über SW-Programmierung kaufe, muss ich mich nicht wundern, keine Beschreibung eines Bauernhofs mit vielen hübschen Bildern zu erhalten. Oder die Lebensgeschichte von Karl dem Käfer erwarte, weil in der Überschrift etwas von Bugs steht.
Wenn man etwas über den Inhalt eines Buches erfahren möchte, kann man ganz oldschool den Klappentext lesen, oder sich online Rezensionen darüber ansehen. Aber was man in den Rezensionen dann oft zu lesen bekommt, offenbart sehr deutlich das ganze Dilemma. Der so häufig bemühte Satz „Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.“ entpuppt sich leider extrem häufig als nicht ausreichend, denn es müsste heißen: „Wer lesen kann und in der Lage ist, das Gelesene auch noch zu begreifen, ist klar im Vorteil.“
Erschwerend kommt noch hinzu, dass es nicht wenige Leute gibt, die glauben, Regeln des Zusammenlebens gelten - wenn überhaupt - nur für andere, aber nicht für sie. Und wenn sie sich dann nicht daran halten, und tatsächlich etwas passiert, suchen sie krampfhaft nach Schuldigen, anstatt einfach mal in den Spiegel zu sehen. Dazu passend kann man eine zunehmende Vollkaskomentalität feststellen, die das Unerwartete ausblendet, auch bekannt als allgemeines Lebensrisiko, schlicht als nicht vorhanden deklariert und im Unglücksfall nicht mal in Betracht zieht, das eigene, selbst beeinflussbare Verhalten als Ursache auch nur im Ansatz zu erwägen.
Man kann die Menschen nicht vor ihrer eigenen Blödheit schützen. Ärgerlich wird es jedoch dann, wenn für durch eigene Dummheit oder Nachlässigkeit ausgelöste Folgen andere haftbar gemacht werden sollen. Und dass die Rechtssprechung bei uns ein solches Verhalten mittlerweile auch immer mehr unterstützt. Noch nicht ganz so krass wie in den USA, aber man ist auf einem deutlich sichtbaren Weg dahin. Selbst bei eindeutigen Verstößen gegen geltendes Recht werden in jedem Lebensbereich mittlerweile mehr und mehr Gerichtsurteile gefällt, die anderen, völlig Unschuldigen eine Teilschuld aufbrummen.
Und genau deswegen kommen dabei dann diese Leute ins Spiel, die, wenn irgendetwas schief geht, eben einfach nicht willens sind, Selbstverantwortung zu übernehmen, sondern mit allen möglichen Tricks versuchen, alles und jeden zu verklagen.
Und hier schliesst sich für mich der Kreis. Ich glaube nicht, dass solche Triggerwarnungen mehrheitlich deswegen existieren, weil sich tatsächlich jemand Sorgen um einen in der jeweiligen Warnung genannten und dafür anfälligen Personenkreis macht, sondern schlicht, um sich vor möglichen rechtlichen Folgen zu schützen. Versuch’ mal zu beweisen, dass Dein Text oder Video oder was auch immer n i c h t an irgendwelchen psychischen Auffälligkeiten schuld ist.