Es gibt zwei Vergleiche, denen ich immer wieder begegne und die in meinen Augen beachtlich hinken.
Der eine betrifft das Schreiben von BDSM-Geschichten und das Argument, wenn jemand den Kopf über dieses Genre schüttelt, dass Krimi-Autoren schließlich auch keine Mörder sind. Im Grunde ist selbsterklärend, was hier nicht passt. Wer BDSM schreibt, ist im besten Falle ein BDSMler (wohin es führt, wenn nicht, sieht man bei den 50 Shades), er tut es also: nicht morden, aber sich mit Hingabe und Zustimmung den Hintern versohlen lassen z.B..
Der zweite Vergleich ist der mit der Akzeptanz von Homosexuellen und BDSMlern in der Gesellschaft.
Ich befürchte, dass die Gesellschaft, vor allem was homosexuelle Männer betrifft, noch lange nicht so fortschrittlich ist, wie die liberalisierten Gesetze es signalisieren. In vielen Köpfen sind die Vorurteile sehr gegenwärtig.
Selbstverständlich sollte ein Gesetzgeber die Gleichstellung der Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Neigung oder Geschlechterpräferenzen weitreichend umsetzen; allein davon wird die gesellschaftliche Akzeptanz nicht steigen. Die muss aus deren Mitte kommen, und da mögen in den letzten Jahren viele Fortschritte gemacht worden sein, ein Blick oder Ohr zum ein oder anderen Stammtisch lässt jedoch ahnen, dass es noch Zeit braucht, bis das in allen Köpfen und Herzen angekommen ist. Ich befürchte sogar, dass der Applaus, würden die gesetzlichen Anpassungen der letzten Jahre zurückgenommen, deutlich vernehmbar wäre.
Was den Homosexuellen dabei am Ende mehr geschadet als genutzt haben wird, ist möglicherweise ihr Auftreten, um auf sich aufmerksam zu machen. Ich kenne genug Leute aus unserer Baby-Boomer-Generation, die sagen: „Ich habe nichts gegen Lesben und Schwule. Wenn sie aber normal behandelt werden wollen, dann sollen sie doch bitte nicht so laut und tuntenhaft auftreten.“ Ich kenne sogar BDSMler, die das so empfinden.
Die beabsichtigte Signalwirkung dieser - ich wähle mal bewusst das Wort - schamlosen Auftritte ist sicher eine gute: Aufmerksamkeit für die Sache zu gewinnen. Gerade auf den CSD-Paraden vermischt sich das mit viel Selbstinszenierung. Da will gezeigt werden, man sei etwas Besonderes, anders - nicht unbedingt förderlich für eine breite Akzeptanz.
Das gilt für die Homosexualität und entsprechend für BDSM.
Damit bin ich bei der Schamhaftigkeit. Für mich ist der Begriff nicht negativ besetzt, sondern die Scham hat eine gewisse Schutzfunktion, mit der ich - ganz anders als die, die beim CSD in der erster Reihe tanzen - meine Sexualität und Intimität vor den Blicken anderer Menschen schütze. Umgekehrt möchte ich auch von anderen Menschen, vollkommen unabhängig von ihrer Neigung, nicht wissen, was sich in ihren Schlafzimmern und sonst abspielt. Da gucke ich nicht hin, sondern wende meinen Blick ab. Sicher auch eine Form von Schamgefühl. Negativ besetzt ist dieses für mich nicht.
Was mich interessieren würde: Woher nehmt Ihr - Tek Wolf und Robert S - diese Gewissheit, dass BDSM noch immer überwiegend als verrucht, verdorben wahrgenommen und niemals salonfähig werden wird?
Ist das wirklich so?
Zwei grundsätzliche Probleme haben BDSMler jedenfalls nicht: Sie durften - sofern heterosexuell - schon immer heiraten und ihre Praktiken sind bei Einvernehmlichkeit strafrechtlich schon lange nicht mehr relevant. Ich denke, die gesellschaftliche Akzeptanz wird dem folgen, und hier haben die 50 Shades am Ende mehr „für uns getan“ als manch verstörend wirkender Aufzug bei den genannten Paraden.
Großartig, ein Blogbeitrag, der solche Reaktionen hervorruft. Danke dafür Robert S und allen anderen für ihre Anmerkungen.
Wölfin