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Forum - Schreiben - Schreibtisch

Show, don't tell! Beschreiben versus Ausschmücken

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Tek Wolf

Autor.

30.12.2021 um 13:23 Uhr

Beim Schreiben haben wir die Wahl: Geben wir einfachen, klaren Worten den Vorzug oder bekommt der Leser nur Hinweise auf das, was passiert? Ersteres hat den Vorteil, dass man schnell und einfach erfassen kann, was vorgeht. Stefan war traurig; Luise sah nackt umwerfend aus; Der Dom stieg aus dem Auto. Der Nachteil, es geht nicht in die Tiefe, nimmt den Leser emotional nicht mit.

Bei letzterem können wir Ausschmücken, Details einflechten, den Leser fordern und ihn dazu verführen, sich auf die Atmosphäre einzulassen. Doch erschwert diese Strategie nicht auch, die Vorgänge zu verstehen und kollidiert sie am Ende mit der Fantasie des Lesers, der sich den Vorgang ganz anders vorgestellt hat?

Stefan wurden die Augen feucht und sein Herz schien Tonnen zu wiegen; Luises Haut schimmerte wie Alabaster und jede Rundung ging wunderbar in die nächste über; Die Autotür flog auf und die Federn ächzten erleichtert, als sich der breitschultrige Kerl selbstbewusst aus seinem Gefährt wuchtete.

Was gefällt euch besser? Wo seht Ihr die Vor- und Nachteile? Habt ihr Beispiele, vielleicht sogar hier auf den Schattenzeilen, für die eine oder andere gelungene Variante? Was denkt ihr über das Thema? Bitte, spinnt euch aus, ich finde jeden Gedanken dazu sehr spannend!

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Devana

Autorin. Korrektorin. Teammitglied.

30.12.2021 um 14:48 Uhr

Generell ist die Show-Methode sicher, wie du schon geschrieben hast, emotional tiefer, stimmungsvoller, lebendiger und vieles mehr. Ganz klar bevorzuge ich sie.

 

Jedoch muss ich auch sagen: Ich darf beim Schreiben nicht darüber nachdenken. Wenn man mir sagt, ich solle bei einem Text jetzt ganz explizit daran denken, diese Methode zu beachten, dann ist es bei mir in etwa so als würde man mir sagen, ich solle nicht an die Farbe pink denken. Plötzlich wird es ein sauschlechter Text bei mir (ist mir bei einem Schreibseminar schon geschehen).

Zudem muss man auch nicht zu dogmatisch an die Sache rangehen (selbiges gilt für Adjektive, die ja gleichfalls verpönt sind, jedoch maßvoll eingestreut durchaus wichtig sein können).

 

Es hilft schon, wenn man versucht, sich in die Personen hineinzuversetzen und die Gefühle in den Text hineinzubringen. Jedenfalls mache ich das immer so. Ganz unbewusst.

Schlimm finde ich hingegen Texte, die lediglich eine Aneinanderreihung von Handlungen sind (also: Tell).

 

Sie ging da und dorthin, dann machte sie das, dann traf sie jenen, der machte dann das...

 

Das unterscheidet für mich durchaus einen guten von einem schlechten Text. Fehlendes Innenleben ist bei uns auch ganz oft ein Ablehnungsgrund von eingesendeten Texten.

 

Das Problem der Fantasie, die man dem Leser nimmt, sehe ich nicht. Es bleibt bei jedem Text noch genug Raum für die eigene Fantasie.

 

In dem Zusammenhang fällt mir vielleicht auch noch der Vergleich mit Gesang ein. Auch hier sind oftmals die Sänger und Sängerinnen erfolgreicher (und besser), die in ihre Lieder ganz viel Gefühl hineinbringen. Da muss nicht unbedingt jeder Ton exakt getroffen sein, wenn dafür das Gefühl stimmt. Das ist vielleicht die Analogie zum "Show don't tell" beim Schreiben.

 

Devana

 

P.S. Schönes Thema!

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Jona Mondlicht

Autor. Korrektor. Teammitglied.

30.12.2021 um 16:08 Uhr

Lieber Tek Wolf,

 

Mir geht es wie Devana. Während des Schreibens können mich Schreibratgeber, Schreibtechniken und alle wahnsinnig wichtigen Hinweise zu besonders gutem Schreiben mal kreuzweise. Schreiben muss für mich kreatives Schaffen bleiben, darf kein technisches Zeichnen werden. Sonst verliere ich die Lust daran.

 

Trotzdem ist es sinnvoll, sich gelegentlich mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Mitunter entdeckt man Möglichkeiten, kann sich verbessern. Daher: danke für das Thema.

 

Texte lassen immer Spielraum für die Fantasie der Leserinnen und Leser. Du kannst schreiben, dass Deine Protagonistin "sich in einen engen Käfig quetscht", dann stellen sie sich einen Käfig vor. Du kannst beschreiben, dass es ein kleiner Käfig ist (schließlich quetscht sie sich hinein), und noch immer kann er in ihren Gedanken völlig unterschiedlich sein. Du kannst ihn beschreiben als aus Metall, mit Stäben - aber Du wirst es nicht erreichen, dass die Leserinnen und Leser exakt den Käfig vor sich sehen, den Du während des Schreibens meintest. Das ginge allenfalls, wenn Du Deinen Text mit exakten Angaben zu Maßen, verwendeten Materialien, Oberflächen, Geruch und Alter des Käfigs und mehr ergänzt - was in der Gesamtheit schrecklich langweilen würde.

 

"Show, dont tell" ist das aber nicht. Es ist meiner Meinung nach mehr "Show and tell". Sie sitzt in einem kleinen Käfig ("tell", erzählter Umstand) und muss sich hineinquetschen ("show", beschriebene Gefühle).

 

Oder, um Dein Beispiel aufzugreifen: "Luises Haut schimmerte wie Alabaster" - das ist ein Vergleich, ein rhetorisches Mittel, ich würde es weder bei "show" noch bei "tell" ansiedeln.

 

Unter "Show, dont tell" stelle ich mir nicht vor, dass man mit Adjektiven und Ausschmückungen den Leserinnen und Lesern ein farbensattes Bild zeichnet. Ich empfinde "Show, dont tell" eher als die Geheimwaffe im Hintergrund, denn bestenfalls bemerken die Leserinnen und Leser sie gar nicht. Sie sehen und fühlen während des Lesens Dinge, die ich gar nicht benannt habe, aber ihnen doch genau so mitteilen wollte. Ein Beispiel, das beim Käfig bleibt: Ein männlich dominanter Protagonist hat in seiner Wohnung einen Käfig stehen, und als er erstmaligen Besuch von einer weiblich submissiven Protagonistin erhält, entdeckt diese den Käfig erst später (und eher zufällig), da der Käfig vollständig mit einem Tuch verhangen ist. Über den  Protagonisten sagt das aus, dass er nicht "mit der Tür ins Haus fallen will", dass er vorsichtig ist, sie nicht überfordern will, keinen Druck ausüben möchte, dass ihm der Wohlfühlfaktor seiner Bekanntschaft an diesem Abend wichtiger war als ein BDSM-Statement. Das ist so viel "show" ohne "tell". Und das ist meine persönliche Auffassung zur Verwendung von "Show, dont tell". Mag sein, dass sie mit Schreibratgebern kollidiert, aber wie schon gesagt, die können mich mal kreuzweise.

 

Viele Grüße

Jona

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Tek Wolf

Autor.

30.12.2021 um 17:04 Uhr

Danke für eure aufschlussreichen, schnellen und ausführlichen Antworten Devana und Jona Mondlicht. Ich stimme euch zu, natürlich ist Schreiben mehr eine Kunst als ein Handwerk bei dem man die Wörter mit den Faustregeln in die Sätze hämmert Aber so lerne ich. Zuerst beginne ich etwas intuitiv zu machen, fühle mich quasi in die Regeln ein und dann interessiere ich mich für das bewusste wie. Gerade schreibe ich an einer Geschichte und da ist mir genau das passiert, was Devana beschrieben hat. Auf einmal passt es hinten und vorne nicht, weil mir ständig dieses show, don’t tell im Kopf herumspukt. Ich bin jedoch zuversichtlich, es wird mich auf lange Frist zu einem besseren Schreiberling machen. Auf jeden Fall ist es schön, dass es die Schattenzeilen gibt, auf denen man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann.

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dienerin

Autorin. Förderer.

30.12.2021 um 18:53 Uhr

Danke Tek Wolf

für dein tolles Thema und deine Anfrage.

Da ich zu wenig schreibe und keine Ahnung habe, was die Theorie zum Thema Schreiben habe, bleibt mir nur meine laienhafte Sicht aus der Leserschaft.

Mir ist es manchmal zuviel, das ganze drumherum zu lesen.

Ein enger Käfig (um bei Jonas Beispiel zu bleiben) reicht mir aus, wie der genau aussieht muss ich nur wissen, wenn die Details zum verstehen  der Geschichte wichtig ist.

Aber auch Devana hat recht, wenn Sie sagt, dass es nicht um eine Aneinanderreihung von "Fakten" gehen darf.

 

In diesem Sinne wünsche ich dir weiterhin gutes schreiben, intuitiv und gut lesbar

Und mit dem Wissen, dass auch alle die lesen, unterschiedliche Wünsche haben, die man nicht alle erfüllen kann.

 

Dienerin

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Gregor

Autor.

31.12.2021 um 09:03 Uhr

Ein paar wilde, ungeordnete Gedanken von mir zum Thema.

Ich kenne keinen Autoren, der mir vom Namen her bekannt ist, und einen Schreibratgeber geschrieben hat. Einen Schreibratgeber von Hermann Hesse oder Thomas Mann würde ich dagegen sofort kaufen.

Es gibt die Regel: "Fünf Prozent sind Talent, fünfundneunzig Prozent Fleiß." Das finde ich nicht schlecht.

Wichtig sind Fremdleser, aber keine Freunde, die einen Gefallen tun wollen. Schon das ist schwer zu finden.

Ich zähle mal auf, was für mich hinderlich beim Schreiben ist.

- der Glaube an eigene Genialität;

- Arroganz jeder Form;

- die Idee, dass irgend jemanden interessiert, was ich schreibe.

 

Ich glaube auch nicht, dass es Regeln gibt. Schreiben ist Gefühl, Ausdruck.

Wichtig ist für mich das Eintauchen beim Schreiben, das eigene Erleben der Handlung beim Schreiben. Und dann das Aussteigen, die eigene Geschichte liegenlassen, sie nach Wochen erneut lesen, überarbeiten und immer wieder überarbeiten.

 

Ich glaube auch, wenn ich in Sicht auf Leser schreibe, dann wird das nichts. Der Text bleibt flach.

Letztlich fühle ich mich beim Schreiben nur wohl, wenn ich für mich schreibe.

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Ambiente

Autorin. Förderer.

31.12.2021 um 09:45 Uhr

Das ist ein spannendes Thema. Ich gestehe, dass ich mich damals in einem Schreiblehrgang mit dieser Differenzierung der Art des Schreibens nicht wohlgefühlt habe.

 

Ich erinnere mich an eine heftige Diskussion mit Cubi (mein Mann), der sich damals ganz neu in so einer Comunity einbrachte. das Thema damals war Telefonsex. Während ich das eine Zeit sehr gern und ausgiebig gemacht habe (manchmal sind 640 km doch zu viel).

 

Dann kam Cubi und sagte: Telefonsex kann nicht funktionieren. Beispiel: Du sagst einen Satz, hast ein bestimmtes Bild in Deinem Kopf, und baust darauf auf. 

 

Sein Beispiel damals war: Du sagst: lehn Dich gegen den Schrank - ich sehe einen Mooreichenschrank, Du mit dem Gesicht zum Schrank, mit weit gespreizten Beinen, mit den Händen am Schrank, um Dich abzustützen. Wir sehen also Beide unterschiedliche Dinge und führen sie in unseren Gedanken weiter.

Das muss aber nicht unbedingt mit dem übereinstimmen, was Du als nächstes sagst. der Kopf ist soviel schneller als das gesprochene Wort.

 

Genau daran denke ich, wenn ich eine neue Story schreibe. Was muss ich mit Worten aufzeichnen, oder was überlasse ich dem Leser?

 

Als Ergebnis kann ich für mich nur sagen, ich schmücke lieber aus. zeige dem Leser, was ich bei dem oder dem anderen Satz gedacht habe.

 

Danke für dieses spannende Thema.

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Nachtasou

Autor. Korrektor.

01.01.2022 um 03:00 Uhr

Was bei »Schreibregeln« leicht vergessen wird, ist die Beachtung der Gesamtwirkung eines Textes. Ausschmückung oder nicht, ist nicht die Frage, Tek. Es gibt keinen absoluten Stil, sondern nur passenden und unpassenden.

 

Ein Text, der aus der Sicht einer 15-jährigen Drogenabhängigen geschrieben ist, wird sich sprachlich an sie anpassen. Und dann ist die Frage nach vielen oder wenigen Adjektiven vom Tisch. Das Mädchen bestimmt dann, was und wie auszuschmücken ist.

 

Dann gibt es noch die Logik. Und hier macht das »show, don´t tell« endlich mal Sinn. Ein aus einer Ich-Perspektive geschriebener Text kann halt nicht Gefühle im Gegenüber »wissen«, sondern nur behaupten. Das wirkt schal. Hier sind dann sind die Augen und Ohren des Wahrnehmenden im Text der einzige Zugang zu den Inhalten im Kopf anderer Menschen. Zu sagen: »Er ist traurig« ist in diesem Fall ein Logikfehler. Richtig wären Beobachtungen: »Er zieht eine Flunsch«, oder »Er hat sich in sein Zimmer verkrochen und öffnet nicht, wenn ich klopfe«, oder »Seine Augen werden wässrig und die Unterlippe zuckt«. Das ist das Zeigen.

Nur ein allwissender Erzähler weiß um die Vorgänge in den Köpfen. Wenn im Text eine Borderlinerin zu Wort kommt, darf diese natürlich behaupten, was sie will. Das wäre stilistisch wieder stimmig zu ihrer Art Beziehungsführung.

Der allwissende Erzähler (eine Unperson) ist etwas aus der Mode gekommen.

 

Sehgewohnheiten prägen zudem die Schreib- und Lesegewohnheiten. Bis vor 150 Jahren wirkte eine 16-seitige Landschaftsbeschreibung interessant, weil kaum jemand reiste. Lesen war das Fenster zur Welt. Das hat sich gewandelt, und so ist heute anders zu überlegen, was ausgeschmückt wird. Da reichen häufiger knappe Trigger, um das Gewünschte auszulösen.

Wem mir als Leser alle Parfüm-Werbungen und Blockbuster-Filme geläufig sind, ist mir schwerlich eine galant aus dem Wagen steigenden Frau.mit Ausschmückungen interessant zu versinnlichen. Da reichen wohl einige wenige Hinweisreize, um die Phantasie im Kopf bei mir ins Rollen zu bringen. Mehr als nötig bremst oder wird hinderlich. Ich glaub, nur das Besondere, Charakteristische ist auszuschmücken; und wenn es der Atmosphäre dient.

 

Was ist denn die Wirkung? Und auf wen?

Ich halte es mit Gregor. Für sich selbst schreiben heißt, eine Wirkung direkt verspüren. Ich bin mein erster Leser. Die Wirkung ist nicht einmal immer benennbar. Für professionelle Schreiber gelten sicher andere Maßstäbe.

Es gibt sie, die guten Romane. Susza Bank scheint viele Schreibregeln zu brechen, und doch sind es wundervoll wirksame Romane. »Der Distelfink« hat mir gefallen, dessen Stil konventionell ist und die Wirkung durch die Fülle an Inhalten entstehen lässt. Diese erforderten aber jahrelange Recherchearbeit der Autorin. Das ist nichts für jeden Schreiberling.

 

Das »Show, don´t tell« ist so eine Pop-Regel, die aus der Filmbranche stammt. Diese Ratgeber sind wie die aus der Finanzbranche, die einem die Geheimnisse versprechen, in zwei Wochen Millionär zu werden.

Dan Brown, Frank Schätzung und Konsorten, schreiben Drehbücher in Romanform. Dass sie Bestseller geworden sind, liegt nicht an ihrer Schreibkunst, sondern daran, dass sie immense Recherchearbeit oder Fachwissen mitbringen ueber das beschriebene Sachgebiet. Darum wirken ihre Texte. Das sind keine Stilfragen! Sie haben Ahnung von den Inhalten, die nicht jeder kennt. Dann überliest man, dass ihr Personal und ihr Stil flach bleiben. So was stellt man sich aber nicht ins Bücherregal.

 

Wenn ich mich selbst befrage, muss ich mir schnell eingestehen, dass es kein einziges Sachgebiet gibt, in dem ich einen Bestseller schreiben könnte, selbst, wenn ich der Stilpapst wäre. Nur weil ein Klavierspieler einen guten Anschlag hat, macht er deshalb noch keine gute Musik. Die machen andere sogar auf alten Ölfässern besser, indem sie draufhauen.

 

Es gibt einen Test, ob eine Textpassage gelungen ist oder nicht: das eigene Gefallen. Auch darauf darf man vertrauen, oder nicht?.

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Campanula

Autorin.

01.01.2022 um 12:09 Uhr

Hochinteressantes Thema, danke, Tek Wolf! Ich hatte das Prinzip "Show, not tell!" allerdings nie so verstanden, dass es um den Gegensatz zwischen reduzierter Sprache und vielen ausschmückenden Details geht. Für mich besagt dieses Prinzip, dass ich nicht einfach behaupten sollte, etwas sei so, wie es ist (z.B. eine Person pedantisch), sondern dass diese Eigenart im Handeln und in Dialogen sichtbar werden muss. Und das ist schon etwas, das ich nachvollziehen kann. Insbesondere Dialoge machen einen Text lebendig und lassen die handelnden Personen sichtbar werden. Im von Nachtasou erwähnten Roman "Distelfink" fand ich das ganz beeindruckend, wie gut die Protagonisten da durch ihre Sprache in den Dialogen, aber auch durch ihre Handlungen und Verhaltensweisen zum Leben erweckt werden.

 

Auf Wikipedia fand ich hierzu ebenfalls ein anschauliches Beispiel:

 

Statt zu berichten …

 

„Frau Kleinschmidt war eine Klatschtante.

Immer fand sie etwas, das sie weitertratschen konnte.“

 

… soll der Autor zeigen:

 

„Sie öffnete einen schmalen Spalt zwischen den Blättern der Jalousie, so dass sie den VW erkennen konnte, der in der Auffahrt hielt. Sie blinzelte, um den muskulösen Mann besser sehen zu können, der aus dem Auto gestiegen war und in Richtung der Eingangstür ging. Als er klingelte, rannte Frau Kleinschmidt zum Telefon: ‚Charlotte, du wirst nicht glauben, was ich gerade gesehen habe!‘“

 

Es wird aber auch erwähnt, dass beide Varianten ihre Berechtigung haben, das zusammenfassende Berichten z.B. eine gute Strategie sein kann, um größere Zeitabläufe zu raffen oder das Tempo zu beschleunigen.

 

Ich denke auch, dass beides sinnvoll sein kann. Besonders interessant wird es, wenn ein unzuverlässiger Erzähler irgendetwas berichtet, das sich, indem es gezeigt wird, also z.B. im Handeln und Reden der Personen, für die Lesenden womöglich ganz anders darstellt. (Ein schönes Beispiel für einen unzuverlässigen Erzähler ist der Butler Stevens in "Was vom Tage übrig blieb".)

 

Und dann gibt es ja ganze Romane, die überhaupt nichts zeigen, sondern ausschließlich innere Monologe oder Gedankenströme präsentieren. Ich denke hier beispielsweise an Christa Wolfs "Kassandra" - ein fantastisches Buch, aber vielleicht nicht als entspannende Urlaubslektüre geeignet.

 

Ansonsten schließe ich mich aber den Ausführungen weiter oben an: Wenn ich beim Schreiben zu viele Regeln im Kopf habe, bekomme ich auch einen Knoten ins Hirn. Ich muss die Worte zu Papier bringen, wie sie mir aus der Feder fließen, und auch ich schreibe in erster Linie für mich selbst. Dennoch habe ich als Rückmeldung einer Freundin schon gelegentlich gehört, dass ihr gerade meine Dialoge sehr gut gefallen, weil die Figuren dadurch lebendig werden. Das ist dann wieder ein Beispiel für "Show, don't tell!". Aber wie gesagt: Es kommt ganz auf den Kontext an und das, was ich erzählen will. Und Literatur ist am Ende immer mehr als nur ein "Buch zum Film".

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Sophie Amalia

Autorin.

01.01.2022 um 20:36 Uhr

Ich habe sehr interessiert alle bisherigen Beiträge gelesen und auch versucht in den vergangenen zwei Tagen diesbezüglich in mich hineinzuhorchen, nachdem dieses Thema aufploppte. Ich gebe zu, dass ich mir dazu noch nie Gedanken gemacht habe beim Schreiben, da ich mich lediglich vom Gefühl leiten lasse. Finde aber, dass es in der Tat ein ziemlich wichtiger Aspekt ist und werde dieses Thema somit aufmerksam weiterverfolgen, um meinen Schreibstil dahingehend zu verbessern. Vielen Dank also für diesen Thread, lieber Tek Wolf.

Wenn ich schreibe, weiß ich genau wie meine Protagonisten aussehen, habe sie gedanklich in Gestalt vor mir, kenne deren Charaktereigenschaften bis hin zu deren Lieblingssong. Ich verstehe dieses „show, don´t tell“ so, dass ich Charakterzüge oder Gefühle nicht nur erwähnen darf, sondern zeigen muss. Der Leser will schließlich nachvollziehen können, warum jemand als mutig oder eigensinnig oder ordnungsliebend gilt oder wie die Wut zum Ausdruck gebracht wird.

Hingegen darf ich zum Beispiel die Beschreibung der Optik eines Protagonisten eher kurz halten, insofern eine Beschreibung überhaupt erforderlich ist, denn jeder Leser darf meiner Ansicht nach selbst ein Bild im Kopf entwickeln und muss gar nicht das sehen, was ich sehe. Es sei denn, ich formuliere beispielsweise, dass eine Person nach meinem Empfinden ausgesprochen hübsch ist. Dann sollte ich durchaus erklären, warum dies so empfunden wird und nicht nur behaupten.

Soweit meine ersten Erkenntnisse wie ich dieses „show, don´t tell“ für mich erklären kann, in der Hoffnung es richtig verstanden zu haben.

Unabhängig davon glaube ich, die richtige Mischung macht es. Zuviel des Einen oder des Anderen ist nicht gut.

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