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Forum - Schreiben - Schreibtisch

Show, don't tell! Beschreiben versus Ausschmücken

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Sizilia Luber

Autorin.

01.01.2022 um 23:57 Uhr

Das ist ein sehr interessantes Thema. 

Ich habe, ähnlich wie Devana, schon festgestellt, dass es mir nichts bringt, wenn ich krampfhaft versuche, in den einen oder anderen Stil zu gehen, wenn ich gleichzeitig das Gefühl habe, dass es so nicht passt. Schreiben auf Kommando und dann bitte etwas Gutes, das beherrsche ich nicht. 

Generell habe ich mich am Anfang schwer getan, wusste nicht, wann ich 'Show, don't tell' anwenden soll. In einem langen Text, wenn ich die Charaktere kenne, läuft es von allein, sozusagen instinktiv. Wenn ich eine Kurzgeschichte schreibe, eine Momentaufnahme eines Ereignisses, überlege ich mir vorher den Stil, was ich ausdrücken will und wie. Hier probiere ich dann auch oft, bis es passt und mir gefällt. Keiner Grundsatz aus Schreibratgebern sollte zum ultimativen Diktat für jede Story werden. Darum heißen die Dinger ja Ratgeber. Es kommt mich drauf an, dass es zum Text passt und das transportiert, was ich transportiert haben möchte.

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Tek Wolf

Autor.

02.01.2022 um 11:12 Uhr

Da hast du ein sehr interessantes Beispiel herangezogen, liebe Campanula. Bei meiner Recherche zu dem Thema bin ich auch auf dieses Wikipedia-Beispiel gestoßen. Um ehrlich zu sein, sowas frustriert mich immer ungeheuer, denn ich fand hier den nackten, kleinen Satz viel ansprechender als das große Wortungetüm. Wenn ich höre: „Frau Kleinschmidt war eine Klatschtante.“ Dann geht der Satz zuerst mal sehr leicht in mein Ohr. Ich muss mich gar nicht anstrengen um ihn zu lesen und zu verstehen. Um so leichter kann sich dann meine Fantasie darum kümmern eine Kleinschmidt zu erschaffen, die das Tratschmaul nicht halten kann.

Anders die Beschreibung. Hier wurstle ich mich durch die Wörterhaufen als wäre ich in einem Labyrinth und muss erst mühsam alle Hinweise einsammeln, um ein Bild zu erhalten. Und wäre das nicht schon anstrengend genug, soll ich dann noch meine Schlüsse daraus ziehen wie ein Detektiv, bis ich wieder zu der einfachen Erkenntnis komme: Frau Kleinschmidt war eine Klatschtante! Um ehrlich zu sein, ich hasse es sehr, wenn ich anders empfinde, als die allgemeine Schulmeinung. Dann frage ich mich, bin ich so dumm, dass ich das nicht erkenne oder liegen tatsächlich diese gebildeten und schlauen Leute, die solche Regeln aufstellen falsch?

Mir ist das kürzlich bei einem Onlineseminar über Layout (für Artikel, Flyer, etc.) passiert. Es gab immer ein Negativbeispiel und die Korrektur. Ich wurde immer frustrierter, weil ich die „falschen“ Layouts besser fand als dich „richtigen“ und dies sogar teilweise begründen konnte. Wer lag nun falsch, der vermeintliche Profi oder mein laienhaftes aber doch recht eindeutiges Gefühl? Leidet noch jemand daran – Manchmal geht schreiben herrlich leicht von der Hand und das Ergebnis fühlt sich an, als hätte man Gold aus dem Schlamm eines Flussbettes geholt. Und dann wieder passt es hinten und vorne nicht, wie bei einem Slapstick-Star, der daran scheitert eine Leiter unfallfrei zu transportieren? Geschichten zu Papier zu bringen ist manchmal eine grausame Geliebte.

Ich danke allen, die sich zu diesem Thema geäußert haben und noch werden. Es sind ein paar interessante Einsichten zusammengekommen und ich werde sie mir noch häufiger durchlesen.

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Campanula

Autorin.

02.01.2022 um 12:03 Uhr

geändert am 02.01.2022 um 12:31 Uhr

Lieber Tek Wolf, die Antwort auf deine Frage finde ich ganz einfach: Bleib bei dem, was sich für dich richtig anfühlt! An der Stelle würde ich mich von Seminarleitern und Schreibratgebern nicht irritieren lassen. Irgendjemand hat oben mal erwähnt, dass diejenigen, die Schreibratgeber verfassen, in den seltensten Fällen erfolgreiche Schriftsteller sind. Lediglich zwei Ausnahmen fallen mir spontan ein: Steven Kings "Über das Schreiben", das ich noch nicht gelesen habe, und Haruki Murakamis "Von Beruf Schriftsteller", das weniger ein Ratgeber für das richtige Schreiben als vielmehr für das Durchhalten ist. Murakami meint nämlich, es sei vergleichsweise leicht, einen Roman zu schreiben. Die eigentliche Herausforderung bestehe darin, einen Roman nach dem anderen zu schreiben. (Das aber nur am Rande.)

 

Ich sehe es wie viele meiner Vorschreiber: Solange du vom Schreiben nicht leben musst, darfst du ganz deiner Muse folgen. Lass die Worte aufs Papier fließen, wie sie wollen, gestalte die Worte, Sätze und Bilder so, wie es dir entspricht, schreibe in der Art und Weise, die dir am meisten zusagt. Einer der schönsten Schreibratgeber, die ich jemals las, stammt von Nathalie Goldberg ("Schreiben in Cafés") und beinhaltet den einfachen Rat, zu schreiben, ohne abzusetzen. Die Worte aufs Papier fließen zu lassen, wie sie kommen. Sie vergleicht das mit der Arbeit des Kompostierens: Indem wir immer und immer weiterschreiben, reichern wir den Kompost an, auf dem irgendwann eine wunderschöne Blume wachsen kann. So empfiehlt sie beispielsweise, alte Texte nach einiger Zeit noch mal durchzugehen, jene Sätze anzustreichen, die uns besonders ansprechen und diese dann wieder zum Ausgangspunkt für neue Texte zu machen.

 

Auch wenn ich meine Romane und Geschichten heute anders schreibe, so hat diese Methode mich doch sehr inspiriert und ich habe sie eine ganze Weile im handschriftlichen Schreiben, z.B. in meinem Tagebuch, praktiziert. Bei Eva Menasse las ich hingegen neulich in einem Essay, dass ihr Schreiben hauptsächlich darin bestehe, Texte immer wieder umzuschreiben. Jedes Mal, wenn sie an einem Roman sitze, komme der Zeitpunkt, an dem der Schreibfluss versiege. Der Handlungsbogen sei abgeschlossen, es gebe eine natürliche Pause, an der sie beim besten Willen nicht weiterkomme. Dann kehre sie immer zum bereits geschriebenen Text zurück und mache sich daran, ihn umzuschreiben. Das ist vielleicht am ehesten die Technik, mit der ich heute schreibe: Am Anfang fließt der Text relativ spontan und unzensiert aufs Papier, wie bei Nathalie Goldberg beschrieben, und später setze ich mich noch mal dran und überarbeite. Ich habe festgestellt, dass bei mir auch die Melodie eines Textes eine Rolle spielt. (Vielleicht besteht da eine gewisse Verwandtschaft zu Flaubert.) Manchmal tauche ich lange nach dem richtigen Wort - nach jenem, dessen Rhythmus und Klang am besten in den Satz passen, den ich geschrieben habe. Deshalb verwende ich durchaus auch bisweilen die vielfach verpönten Füllwörter, eben weil sie dem Satz den nötigen Takt verleihen.

 

Kurz und gut: Gerade wenn du das Gefühl hast, dass die Tipps aus Schreibseminaren und Ratgebern dich eher behindern als inspirieren, könnte es befreiend sein, einfach mal wieder deinem spontanen Fluss zu folgen und deinen inneren Kritiker beim Schreiben zum Eis essen zu schicken. Ich lese deine Geschichten jedenfalls immer sehr gerne.

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