Ich spreche erst mal von der Brotpreisbindung.
Mir tun Autoren, die vom Schreiben leben (müssen), nicht mehr leid als Bäcker, oder jeder andere, der seine Lebenszeit mit irgendeinem Broterwerb verdingt. Die eigentliche Währung und Gewinn ist nämlich Lebenszeit, und nicht Geld.
Gold und andere Knappheiten waren ursprünglich Stellvertreter für Lebenszeit, aber es scheint in der Natur der Sache zu liegen, dass das zu irrwitzigen Resultaten führt. Zum Beispiel dem, dass manche Menschen die Mittel für Tausende Leben erwirtschaften. Das stößt aber weiterhin an biologische Grenzen. Ein Milliardär wird gar nicht alt genug, um sein Vermögen aufzubrauchen (und sponsort dann Galerien, damit wenigstens sein Namen über den Tod hinaus wirkt).
Jeder Einzelne ist Produzent und Konsument gleichzeitig, und die Vorteile des einen sind die Nachteile des anderen. In diesem Klammergriff des Geldes befindet sich jeder. Ich habe mir ein Chinahandy importieren lassen, das so gut und billig ist, dass am Ende auch mein Arbeitsplatz in den Mindestlohnbereich fiele, wenn ich IT-ler wäre. Besser kann man sich selbst nicht das Wasser abgraben.
Ich weiß nicht, was historisch zur Buchpreisbindung geführt hat, es ist ein Anachronismus. Warum sollte Kultur mehrwertig sein, Brot aber nicht. Oder das, was ich herstelle? Vielleicht, weil Kultur - ebenfalls historisch - gesehen, nie für alle war. Wie Opernsitzplätze, die vom Bäckerlehrling tüchtig mitsubventioniert werden? Während er Bohlen hört.
Was zudem übersehen wird, ist, dass mit der Erfindung „des Buches“ die Erfahrungsweitergabe abstrahiert worden ist, und Beziehungen ersetzt. Zwischen dem, der etwas aufschreibt und dem, der lesend aufnimmt, schiebt sich ein Medium. Die Personen werden austauschbar. Ich lese auch gern, aber noch viel einprägsamer sind mündliche, direkte Erfahrungsweitergaben von Mensch zu Mensch. So wie die Darbietung von Musik auch etwas anderes ist als die CD-Pressung dieser Aufführung.
Die Marktgesetze führen zu zweierlei. Zuerst zu einer immensen Zunahme des Mülls. Ein Blick auf Amazons Kindlestore genügt (nur mal als Beispiel): So viel Oberscheiße und Sprachmissbrauch war noch nie. Myriaden von Fürst-und-Wäscherinnen-Plots und präpubertäre Vampirerotik im Fanfictionstil. Ein Kultur-Horror im Ausmaß der Meeresverschmutzung. Das ist der gleiche Vorgang wie im Informations- und Nachrichtenbereich auch. Man findet Nachrichten nicht mehr. Also ihre Bedeutung, meine ich. Auch nicht im Öffentlichen Rundfunk: Oder warum dauert die Tagesschau immer 15 Minuten? Und warum kommt in ZDF-heute immer noch was zum Lächeln am Ende? Der Inhalt muss sich dem Format beugen. Zugespachtelter Nullwert.
Und im Gegenzug: Es wird neue Berufszweige geben, die den Kulturhungrigen durch den Sumpf leiten. Journalisten neuer Art. Literaturvermittler neuer Art. Da kann ich auf den Buchhändler mit Nickelbrille gern verzichten, der ebenfalls wie der Apotheker seine Salbei-Lutschbonbons auch nur den neuesten Bestseller vom Spiegel-Ranking zu Pyramiden auftürmt.
In der Zwischenzeit heißt es abwarten und hoffen, dass diese moderne Form der Bücherverbrennung ein Fegefeuer ist.
Und selbst schreiben. Und Brotbacken. Und selbst ficken und auf Youtube-Adult verzichten.