Hmmm ... mal so zurück-überlegen ... gut, sooo alt bin ich auch noch nicht. Aber zu verschiedenen Abschnitten meines Lebens hätte ich vielleicht andere Schwerpunkte gesetzt.
Als Jugendlicher hatte man seltsame Flausen im Kopf, hat irgendwie alles extremer gesehen. Mit dem Alter wird man vielleicht etwas gelassener. Z.B. das eng verwandte Thema "Outing" kann man sehr viel lockerer sehen, wenn die Verwandten erst mal weit weg wohnen. Freunde und Bekannte kann man sich entsprechend sortieren und überhaupt tut es gut, dem Mief und Tratsch des kleinen Dorfes zu entkommen, weil in der Stadt stört sich keiner dran.
24/7 ausleben ... ich habe über 2 Jahre lang ein massives Edelstahl-Armband als sichtbares Zeichen getragen. Natürlich regt das dumme Kommentare an. Insbesondere muss man sich im Klaren sein, dass einen das einholt, wenn man es am wenigsten brauchen kann. Es ist einfach ein gefälliger Aufhänger mit dem man aus der Masse hervorsticht. Und gerade weil man trotz aller Offenheit ja doch niemals vollständig geoutet ist, ist es gleichzeitig oft auch ein wunder Punkt. Und einige Arschlöcher merken schnell, dass das ein Button sein kann, auf den man nur draufhauen muss, um sofort Spaß zu haben, wie Stefan Raab in seiner Show damals.
Der Keuschheitsgürtel ist dagegen anders gelagert. Er wird unter der Kleidung getragen und fällt nicht weiter auf (bilde ich mir zumindest ein ... jedenfalls wurde ich nie darauf angesprochen). Damit lässt sich 24/7/365 realisieren, wenn man es denn darauf anlegt. Quasi die ideale Verbindung von Alltag und BDSM. Eine Fortführung der Session, wenn man sie eigentlich für profanere Dinge unterbrechen müsste. Die erotische Spannung kann über Wochen auf einem übermenschlichen Niveau gehalten werden. Selbst ohne Session braucht es nur minimale Andeutungen, um sub im eigenen Saft schmoren zu lassen.
Davon unabhängig die Frage nach dem Zweck: Will ich wirklich 24/7? Mein Hauptziel beim KG-Tragen ist es nicht, Rekorde in dauerhafter Verschlossenheit aufzustellen. Der Punkt ist, dass der KG ein Schloss hat, um der Sschlüsselhalterin den möglichst einfachen Zugriff zu ermöglichen. Wenn es allein um die Dauer ginge, könnte man auch den Schlüssel vernichten oder den KG zunieten. Doch damit ginge ein wesentlicher Aspekt des Spieles verloren ... wie Mensch-Ärgere-Dich-Nicht ohne Würfel.
Merke: nicht das Aushalten des Zustandes ist das Ziel, sondern die Unvorhersehbarkeit des nächsten Zustandswechsels. Den Schlüssel abzugeben spielt also mit der Ungewissheit. Dazu darf man nur nicht zu enge Vorgaben machen. Im Gegensatz zu einer Session, bei der ich vorher weiß, dass spätestens Montag Morgen der Wecker zur Arbeit ruft, fehlt diese Grenze beim Spiel mit dem KG.
Von daher ist es auch ein Tunnelspiel: Die einmal gegebene Zustimmung den KG anzulegen, kann in Abwesenheit der SH mit dem Schlüssel nicht unmittelbar rückgängig gemacht werden. Als Ersatz für das Safewort kann aber ein versiegelter Schlüssel mitgeführt werden.
Fazit: Ich mache mein Glück und mein Empfinden nicht mehr davon abhängig, dass ich anderen Leuten meinen Fetisch aufzuwingen muss. Die Welt ist bunt und es ist schön, mit allen Farben spielen zu können. Mit der richtigen Partnerin würde ich mich vielleicht noch einmal auf 24/7 einlassen, quasi in der Stealth-Variante unter der Kleidung.
LG
private_lock
PS: Es gibt Schlüsselmomente der anderen Art, in denen ich trotz 24/7-Ambition die Rolle bewußt hinten anstellen würde. Nämlich dann, wenn die Dame im Begriff ist, sich undamenhaft zu benehmen und einen starken Partner an der Seite braucht, der sie auch mal bändigen kann, bevor sie sich um Kopf und Kragen redet.