Ein paar Stunden später, irgendwo in Thüringen:
„Warum hast Du nicht angerufen?“
„Weil ich vor der Abreise keine Zeit hatte und, bis auf zwei winzige Zwischenstops, durchweg gefahren bin.“
„Ich habe vorhin versucht, Dich zu erreichen. Warum hast Du das Handy nicht mit der Freisprecheinrichtung im Auto verbunden?“
„Weil ich es vergessen habe. Du wusstest doch, dass ich gegen Nachmittag zurück sein wollte.“
„Du hättest ja wenigstens kurz anrufen können. Ich habe Dir auch extra eine SMS geschrieben. Hast Du sie gelesen? Vorhin habe ich mir etwas zu essen geholt und bin jetzt fertig.“
„Ich hatte keine Zeit! Außerdem habe ich Deinen Anruf nicht mitbekommen, das Handy lag in der Mittelkonsole und war auf Vibration geschaltet. …wie ich sehe, hast Du erst halb 3 angerufen, da war ich noch auf der Autobahn unterwegs. Deine SMS kam ein paar Minuten später. Beim Fahren kann ich nicht lesen und nicht zurücksimsen.“
Ratloses Gesicht und Schulterzucken.
„Ist doch egal, ich bin jetzt zu Hause. Kannst Du mir wenigstens beim Ausladen helfen?“
Geschäftiges Ausräumen und Verteilung des Kofferrauminhalts im Flur.
Ich schleppe die Getränke in den Keller, die empfindlichen Lebensmittel lagere ich in den Kühlschrank, packe meine Tasche aus, stelle den Laptop wieder aufs Sofa und erledige die Hausarbeit, die er extra für mich übrig gelassen hat, sortiere die Wäsche und lade die erste Waschmaschine. Als ich damit fertig bin, mache ich mir eine Kleinigkeit zu essen.
„Hättest Du mal lieber angerufen.“
„Ich sagte, ich hatte keine Zeit. Und mehr brauche ich jetzt nicht.“
„Wolltest Du Dir nicht einen Tee machen?“
Ich springe wortlos auf und werfe den Kaffeevollautomaten an, den Wasserkocher zupfe ich jetzt nicht extra aus dem Schrank. Das heiße Wasser ergießt sich unter lautem Rattern der Maschine über einen Pyramidenbeutel „Chai Spicy“ und verbreitet in der Küche einen weihnachtlich anmutenden Duft. Mit meiner großen Teetasse betrete ich das Wohnzimmer, nehme Platz und kaue schweigend weiter an meinem angebissenen Brötchen.
„Kann ich nochmal an den Rechner?“
„Mach nur.“
Etwas später… Den Rechner fahre ich herunter, quäle mich vom Sofa und verschwinde in den Keller, um nach der Wäsche zu schauen. Die erste Ladung ist fertig, der Trockner bekommt einen Teil, den Rest hänge ich auf. Ich fülle zum zweiten Mal die Maschine, gehe danach zurück ins Wohnzimmer und lege mich auf die Couch. Mit meinem Lieblingsrelaxkissen und meiner Kuscheldecke mache ich es mir gemütlich. Über die Mattscheibe flimmert „Snow White & the Huntsman“. Ich kenne den Film, mag ihn, schlafe jedoch vor Erschöpfung ein.
Etwas später spüre ich Bewegung neben mir und blicke blinzelnd in ein vorwurfsvolles Gesicht.
„Was ist denn?“
„Nichts, ich gehe eine rauchen.“
Ich brauche einen Moment, um munter zu werden. Dieses Mal fällt mir das Aufstehen noch schwerer als vorher, ich schleppe mich erneut in den Keller und leere Waschmaschine und Trockner, bevor ich den Trockner ein letztes Mal für diesen Abend fülle. Ich gehe zur Werkstatt. Die Tür ist nur angelehnt, das Garagentor steht offen, in der Einfahrt brennt Licht. Ich rufe.
„Schatz?“
„Was ist denn?“
„Warum knallst Du die ganze Zeit die Türen?“
„Mache ich gar nicht.“
„Doch, tust Du. Ich bin doch nicht schwerhörig.“
„Ich bin stinkig.“
„Warum denn?“
„Weil Du nicht angerufen hast und mir die ganze Zeit ins Ohr schnarchst.“
„Ich hatte keine Zeit und ich bin todmüde.“
„Außerdem hast Du gar nicht gesehen, was ich am Wochenende gemacht habe!“
„Doch, ich habe die bepflanzten Kästen am Eingang gesehen, und den Kübel neben der Garage habe ich jetzt auch entdeckt. Du warst richtig fleißig!“
Endlich ein winziges Lächeln.
Männer…