Bester Ariuna,
Du reißt verschiedene Punkte an, zu denen ich mich äußern mag.
1.) Der Wichtigste: Deine Lebensenergie in der Sackgasse
Du schreibst, dass sie Dir abhanden kommt. Da gilt es aufzupassen, denn schlimmstenfalls gerätst Du damit in eine Abwärtsspirale, weil Du immer handlungsunfähiger wirst, was Deine gegenwärtige unzufriedene Situation desto mehr zementiert. In einer solchen Lage neigt man (wenn die Energie dazu überhaupt noch reicht) zu Befreiungsschlägen. Im Rückblick sind das kopflose Entscheidungen, die nicht selten bereut werden.
Da kann es angeraten sein, sich von außen Leitplanken aufstellen zu lassen, um aus der verfahrenen Einbahnstraße zu wenden und wieder herauszumanövrieren. Also externe Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das ist kein Offenbarungseid oder Schwäche, sondern sogar klug und verantwortungsvolle Selbstfürsorge. Eine Depression ist ggf die Notbremse in einem Zug, der in eine falsche Richtung unterwegs ist.
2.) Wie finde ich meine eigenen Neigungen heraus? Der Weg nach innen.
Vielleicht ist es kein Zufall, dass Du auf den Schattenzeilen gelandet bist. Irgendwie wirst Du ja herumgegooglet haben. Lesen und Schreiben sind Dir also nicht fremd.
Ich hätte eine Idee (wenn ich gefragt werden würde *g):
Schreibe! Für Dich allein zunächst. Befrei Dich aller Konventionen, die Dich einengen. Papier ist im Gegensatz zu Menschen geduldig und unendlich belastbar. Niemand wird Dich dabei bestrafen, beäugen, kontrollieren. Nimm Dir vor, das beschriebene Papier anschließend im Ofen zu verbrennen; mach das dann auch. Und phantasiere drauflos. Völlig unzensiert; Bremsklötze wie „eklig, peinlich, krank“ wirf ab. Nicht mal der Liebe Gott kann das lesen. Nur für Dich. Du wirst spüren, sogar körperlich, was Deine Trigger sind.
Das ist noch nicht die präsentable Weltkarte, aber der Roh-Globus, auf dem Du lebst und den Du später vielleicht Stück um Stück mit Landkarten schön bekleben wirst.
3.) Der Weg nach außen, zum Gegenüber: Nicht suchen, sondern finden.
Der verführerische Weg ist der, der nicht funktioniert. Zumindest nicht nach meiner Erfahrung und Bauweise:
Ich erstelle mir ein Inventar davon, was ich mag, und ziehe mit diesem Bestand los, mir eine Partnerin zu suchen, die dazu passt. Sozusagen mit Suchmaske wie ein Brett vor dem Kopf.
Das ist auch in Stino-Beziehungen so: Jemand gibt an, häuslich zu sein, und dann versteht sie nicht einmal darunter, den Geschirrspüler einzuräumen *g. Also, der Zirkus geht erst im Konkreten los, und nicht beim Austausch von „Vorlieben“ auf dem Papier.
Ich habe die Erfahrung gemacht, darüber konnte ich mich ärgern oder freuen, dass es viel zu entdecken gibt, was zunächst von meinen Vorlieben entfernt lag, ich sogar ausgeschlossen habe, und sich für mich dann doch ´furchtbar´ fruchtbar erwies.
Von einem Dominanten meint man zu erwarten: Er weiß, was er will und sticht das dann durch. Da muss ich mich eher zu den Chamäleons zählen. Weil:
Eine Praktik oder Vorliebe ist nie nur das, für was sie offensichtlich steht. Es geht um Bedeutungen. Würgen, NS, Immobilisieren z.B. oder anderes Bizarres ist eingebettet in eine Person, und hat eine Funktion. Ein Schalter ist auch noch kein Radio. Die Skala am Radio mit ihren Kanälen gibt auch noch keine Musik von sich. Und überraschenderweise gibt es auch Kanäle, die vielleicht noch besser zum Ziel führen als vorher gedacht.
Ich habe auch ein Grundinventar an Vorlieben, seit Jugend an, womit ich leben muss. Und einiges will und muss ich mir kneifen. Sowieso, weil sie z.B. mit den eigenen Werten kollidieren. Also nicht einmal im eigenen Haus herrscht Ordnung und Passung. Um wieviel komplizierter wird es dann, wenn zwei solche Menschen aufeinander treffen.
BDSM ist eine Beziehungs-Angelegenheit. NUR im Zusammentreffen von zwei (naja, für manche auch mehr) Persönlichkeiten, wird etwas draus. Und gegebenenfalls sogar ziemlich anders, als vorher am grünen Tisch erstellt. Schwimmen(-Lernen) kann man auch nicht ohne Wasser. Deswegen: Nicht nur Planen, sondern schleunigst Tun und dabei aufmerksam bleiben.
Jeder Plan ist schon überholt, sobald er fertig ist, weil man selbst dauernd in Veränderung ist, auch die Sexualität, allein schon durch die Zeit. BDSM ist kein geschlossenes System, sondern ein offenes. Da gibt es notwendige Einflüsse von außen (vom Gegenüber).
Meine Erwartung ist: Es braucht ein Gegenüber, das Spieltrieb hat und sich mitteilen kann. Alles darüber Hinausgehende lässt sich immer nur provisorisch „planen“.
Aber das ist ja auch schön so, wenn zwei bdsm-Welten aufeinanderknallen.
Ich wünsche Dir Mut.